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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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Deregulierung und Ökonomisierung gelitten hat, der einzige Hebel sei die Gesetzgebung, um das wieder rückgängig zu machen. Klare Vorgaben greifen aber in freies Wirtschaften ein, wenn man der Autoindustrie etwa vorschreibt, welche Modelle sie zu bauen hat. Und das halten Sie … ?
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    Man schreibt ihr nicht vor, welche Modelle sie zu bauen hat, man schreibt ihr vor, eine gewisse Höchstgrenze beim Schadstoffausstoß zu beachten. Das ist kein Vorschreiben einzelner Modelle, das regt vielleicht sogar die Fantasie und die Entwicklungsaktivitäten an.
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    In einer Stern -Umfrage vom Mai 2011 wurden Deutsche nach den größten Problemen des Landes befragt. Das Ergebnis fand ich sehr beachtlich, so sehr, dass ich es zitieren möchte. Der Spitzenwert bei dieser Umfrage, er lag bei 35 Prozent, galt der Unzufriedenheit mit den Politikern und den Parteien – er rangierte noch vor der Angst vor Arbeitslosigkeit (26 Prozent) oder vor der Frage des Atomausstiegs (24 Prozent).
Warum sind die Menschen unzufrieden mit der Politik? Weil sie die Politiker als sprunghaft und unberechenbar erleben? Sie selbst haben zugegeben, dass Politiker in dieser globalisierten Welt leicht überfordert seien – müssen wir jetzt hinnehmen, als eine Folge der Globalisierung, dass die Politik nicht mehr so stringent erscheint oder auch ist, wie wir es gewohnt sind?
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    Es ist tatsächlich beunruhigend, dass bei dieser Umfrage die Unzufriedenheit mit der Politik einen ersten Platz erreicht hat. Das ist für ein Gemeinwesen alarmierend. Was die Gründe angeht, ist es für mich nicht leicht, sie im Einzelnen zu konkretisieren. Da spielt zunächst eine Rolle, dass es immer schwieriger wird, Verantwortung und Entscheidung den verschiedenen Ebenen zuzuordnen. Ich habe ja schon gesagt: Es gibt immer mehr Probleme, die man nicht auf nationaler Ebene, sondern auf europäischer, ja nur auf der Weltebene lösen kann. Und das ist nicht nur für die Menschen, die das verfolgen, sondern auch für den Politiker, der handeln soll, ein neuer Zustand. Da erscheint dann manches als unberechenbar. Auch die Sprunghaftigkeit hat als Begleiterscheinung der Akzeleration leider zugenommen. Dennoch: Auch Politiker sind nur Menschen, und der Gedanke, dass man an Politiker zehnmal so hohe Maßstäbe anlegen sollte wie an andere Akteure oder sogar an sich selbst, ist eine Übertreibung. Diesem Gedanken muss man widersprechen. Dann sollen die Kritiker Roboter wählen und nicht Menschen.
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    Zwei Persönlichkeiten sind in höhere Ämter aufgestiegen. Der eine ist ganz jung und ist FDP-Chef geworden, Philipp Rösler; der andere ist nicht mehr ganz so jung und ist neuer Ministerpräsident in Baden-Württemberg und heißt Winfried Kretschmann. Diese beiden Politiker sind so unterschiedlich, dass man nicht daraus ableiten kann, wer denn des Deutschen liebster Politiker ist. Wie sehen Sie das? Freut Sie dieser Tatbestand?
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    Im Grunde bin ich über jeden erfreut, der sich politisch einbringt und wirklich engagiert. Zwischen Rösler und Kretschmann gibt es aber einen deutlichen Unterschied. Letzterer ist Ministerpräsident geworden nach jahrzehntelangem politischen Engagement und einer Wahl, bei der die Menschen sich für ihn entschieden
haben. Ersterer ist Parteivorsitzender nach einigermaßen komplizierten Verhandlungen in einem sehr engen Kreis geworden. Rösler wird seine Bewährungsprobe erst noch zu bestehen haben. Aber dass einer mit achtunddreißig eine solche Aufgabe übernimmt, das freut mich. Ich darf vielleicht noch einmal daran erinnern: Ich war auch gerade mal vierunddreißig, als ich zum Oberbürgermeister von München gewählt wurde – aber eben gewählt!
    Und bei Kretschmann, da leugne ich nicht, dass er, nach allem, was ich über ihn gelesen habe, auch meine persönliche Sympathie besitzt. Ein Grüner, der im Zentralkomitee der deutschen Katholiken sitzt, der in seiner Kirchengemeinde präsent ist, ein paar Mal Krach mit seiner eigenen Partei hatte, weil er glaubte, es sei realitätsfern, was da zu bestimmten Zeiten propagiert wurde – ja, ich habe Sympathie für diesen Mann und wünsche ihm, dass er die Aufgaben, die jetzt in großer Zahl auf ihn zukommen werden, zusammen mit dem auch noch sehr jungen Nils Schmid bewältigt. Das wäre ermutigend für die Demokratie.
    Â 
    Sie selbst waren gerade zehn Jahre in der SPD,

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