Wie wollen wir leben
reden.
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Es gibt Sozialforscher und Politiker, die hinter vorgehaltener Hand sagen, dass es im Prinzip immer eine bestimmte Anzahl von Menschen gab, die durch nichts zu erreichen sind. In Zeiten der Sozialhilfe hat man sie zwar verwaltet, aber man hat sie in Ruhe gelassen; sie konnten dann in Würde in Armut leben. Die Agenda 2010 hätte jedoch dazu geführt, dass alle für potenziell arbeitsfähig erklärt werden, womit man aber einen Teil der Gesellschaft, der aus verschiedenen Gründen nicht arbeitsfähig ist, überfordere. Gleichzeitig tue man denjenigen Unrecht, die noch arbeitsfähig sind, doch unter denselben Sanktionen zu leiden haben.
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Die monatlichen Leistungen für Menschen, die in ALG 2 gekommen sind, sind doch deutlich höher als ihr bisheriges Sozialgeld. Im Gegensatz zu denen, die Sie zitieren, finde ich es richtig, jeden Einzelnen zu fragen: »Kannst du arbeiten?« Oder: »Kannst du mit deiner Behinderung, deiner Krankheit einige Stunden arbeiten?« Und dass für die Sozialhilfe nur noch diejenigen übrig bleiben, die arbeitsunfähig sind, das halte ich für eine vernünftige Lösung.
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Helmut Schmidt hat einmal angeregt, dem Katalog der Menschenrechte einen Katalog der Menschenpflichten anzufügen. Ihm ist viel zu viel betont worden, was der Mensch alles darf und kann, und viel zu wenig, was er soll und muss. Würden Sie dem zustimmen?
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Ja. In diesem Katalog, der 1997 auf seinen Anstoà hin vom sogenannten InterAction Council â das ist ein Kreis ehemaliger Staatsmänner aus der ganzen Welt, der sich regelmäÃig trifft â ausgearbeitet wurde, finden sich achtzehn konkret artikulierte Menschenpflichten. Vielleicht sollte ich zwei Beispiele nennen. So heiÃt es in Artikel 8: »Jede Person hat die Pflicht, sich integer, ehrlich und fair zu verhalten.« Und im vorhergehenden Artikel 7 â ich lese das einfach einmal vor: »Alle Menschen haben die Pflicht, Luft, Wasser und Boden um der gegenwärtigen Bewohner und der zukünftigen Generationen willen zu schützen.«
Als Verfassungsnormen würden sich solche Formulierungen wohl nicht eignen. Und auch als eine förmliche Ergänzung der Menschenrechtserklärung dürfte der Katalog in den Vereinten Nationen, wenn überhaupt, nur sehr schwer realisierbar sein. Aber es ist gut, die Menschen immer wieder an ihre Pflichten und damit an ihre Verantwortung zu erinnern.
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Als der erste grüne Ministerpräsident, Winfried Kretschmann, sagte, die Leute sollten gefälligst kleinere Autos fahren, Autos, die nicht so viel Sprit verbrauchen, war das negative Echo groÃ, man sprach sogar von einer »dirigistischen Verwaltungsbürokratie kommunistischer Prägung«.
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In diesem Fall würde ich nicht »man« sagen, es sind bestimmte Personen, die das sagen. Dazu zählen einige, aber bei Weitem nicht alle Repräsentanten der Autoindustrie in Baden-Württemberg. Manche haben aber auch hinzugefügt â das mildert ihren Aufschrei etwas â, dass sie alles tun werden, um so bald wie möglich ein klimafreundliches Auto anbieten zu können.
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Gibt es nicht ein paar Bereiche, die durchaus diktatorische MaÃnahmen vertragen?
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Was verstehen Sie denn unter diktatorischen MaÃnahmen?
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Ein Verbot von Autos, die zu viel Sprit vergeuden. Sie schaden nicht nur der Umwelt, sondern sind zudem reine Energieverschwender. Warum sollte man nicht Autos ab einem bestimmten Hubraum verbieten?
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Ich müsste da nachsehen, aber ich glaube, die Verfassung würde das nicht verbieten. Grundsätzlich wäre das wohl ab einer gewissen Grenze zum Schutz der Umwelt vor Schadstoffen möglich. Zum Beispiel gibt es Autos mit 400 PS, mit denen man schon jetzt nicht mehr in die Innenstadt fahren darf. Andere dürfen das nur, wenn sie eine bestimmte Umweltplakette haben.
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In Deutschland ist in dieser Hinsicht kaum etwas verboten, es gibt ja nicht einmal ein Tempolimit bei uns.
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Leider. Um das habe ich lange gekämpft. Man hielt mich für verrückt, weil ich mich an den Antrag, den wir stellten â nämlich auf der Autobahn nur 100 Stundenkilometer zu fahren â, selbst gehalten habe.
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100 Stundenkilometer? Das ist aber hart.
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Wenn ich im Auto einschlief, fuhr mein Fahrer allerdings wieder über 100.
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Sie haben gesagt, dass unsere Gesellschaft unter einer
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