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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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die Beherrschung der Sprache und zweitens eine gewisse Vertrautheit mit der Verfassung und den rechtlichen Regeln, die für das tägliche Leben maßgebend sind. Auch ein paar Kenntnisse der deutschen Geschichte.
    Â 
    Sie heißen also auch diese Prüfungen gut?
    Â 
    Ja, das tue ich. In der Unabhängigen Zuwanderungskommission, in der ich seinerzeit mitgearbeitet habe – das war 2000/2001 –, verlangten wir sogenannte Integrationskurse. Diese Forderungen und andere Anregungen sind inzwischen realisiert worden. Es hat allerdings in einigen Fällen ziemlich lange gedauert.
    Â 
    Ich lasse noch nicht locker: In vielen Großstädten haben wir Straßenzüge, deren Schriftzüge nur in Türkisch gehalten sind. Halten Sie das nicht für gefährlich?
    Â 
    Sicher darf man nicht alles sich selbst überlassen. Aber ich sehe nichts, was uns wirklich gefährdet. Und es wird noch der Zeitpunkt kommen, wo wir um die Zugewanderten froh sind.
    Â 
    Und dann sind wir islamisiert.
    Â 
    Aber was heißt denn islamisiert? Sind Sie schon islamisiert?
    Â 
    Ich bin ja nicht einmal verchristlicht, wenn Sie so wollen.
    Â 
    Aber dann sind Sie besonders gefährdet.
    Â 
    Keineswegs. Ich bin völlig immun gegen jegliche Art von Religion.
    Â 
    Empfehlen Sie, dass möglichst alle Menschen in diesem Sinn immunisiert werden?

    Â 
    Ich jedenfalls empfehle, will man Konflikte vermeiden, sich nicht unbedingt über den Glauben auseinanderzusetzen.
    Â 
    Das kommt doch auf die Art der Auseinandersetzung an. Es gibt viele Dinge, über die man sich lebhaft austauschen kann. Warum soll man sich nicht über Religion unterhalten?
    Â 
    Solange es bei Diskussionen bleibt, ist das in Ordnung. Nur wenn es aggressiv oder kriegerisch wird, würde es mir nicht mehr gefallen.
    Â 
    Gibt es in Deutschland Ansätze zu kriegerischen Religionsauseinandersetzungen?
    Â 
    Na ja, die al-Qaida-Krieger, die in Deutschland im April 2011 gefasst wurden und wohl einen Sprengstoffanschlag in Düsseldorf vorbereiteten, berufen sich auf eine Ideologie, die durchaus religiöse Bestandteile hat.
    Â 
    Und wie viele sind das?
    Â 
    Es war ein Trio.
    Â 
    Aha.
    Â 
    Es gab die sogenannte Sauerlandgruppe, eine radikal-islamistische Vereinigung mit dem Namen Islamische Dschihad-Union. Das waren vier Terroristen, zwei davon Deutsche, die zum Islam konvertiert waren. Und den Kofferbomber von Köln, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Und drei junge Männer aus Mainz und Bonn, die 2005 wegen Bombenherstellung verurteilt wurden. Insgesamt ein gutes Dutzend al-Qaida-Leute, die in Zusammenhang mit Anschlagsplänen festgenommen wurden.
    Â 
    Und das ist Anlass genug, um von Islamisierung zu reden? Bei zwölf Tätern? Wenn man das von Anschlägen islamistischer Terroristen herleitet, dann wäre Spanien völlig islamisiert, auch England, und Amerika wäre überhaupt dreimal islamisiert. War Deutschland denn in den siebziger Jahren »RAFisiert«? Da gehörten ja viel mehr Aktivisten dazu. Damit wir uns recht verstehen: Ich will nichts bagatellisieren. Und Aufmerksamkeit ist immer nötig. Aber Übertreibungen helfen erst recht nicht.
    Â 
    Was bedeutet in Zukunft deutsch sein? Dieser Frage muss man sich stellen, wenn man sagt, wie Sie es tun, dass wir Einwanderer brauchen.

    Â 
    Da sind wir ziemlich dicht bei dem Begriff der Nation. Für mich ist die Nation eine Geschichtsgemeinschaft, eine Sprachgemeinschaft, eine Kultur- und eine Gefühlsgemeinschaft. An diesen vier Kriterien und Voraussetzungen sollten wir festhalten. Ich kenne auch niemanden, der sie für überholt oder für abwegig erklärt hätte. Geschichtsgemeinschaft bedeutet insbesondere, dass wir uns der dunklen und auch heute noch bedrückenden Phasen unserer Geschichte erinnern – wir haben darüber gesprochen. Es gehört aber ebenso dazu, dass wir uns der guten Phasen der deutschen Geschichte bewusst sind. Daran, dass ein Kant, ein Lessing, ein Goethe, ein Schiller zu Deutschland gehört haben. Und im politischen Bereich könnte ich weiß Gott genügend Männer und Frauen aufzählen, die ebenfalls ein Teil unserer Geschichte sind und auf die wir stolz sein können. Zu unserer Gemeinschaft gehört weiterhin das Ja zum Grundgesetz und zu seiner Wertordnung. Für die Kulturgemeinschaft ist die Sprache von zentraler Bedeutung. Aber genauso die Art des Umgangs

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