Wie wollen wir leben
ich dazu durch das Evangelium besonders verpflichtet. Aber es ist ein mühsamer Prozess, ein Prozess, der der Zeit bedarf. Es wäre nicht redlich zu sagen, mit der Verurteilung eines solchen Menschen wäre alles erledigt. Es kommt auch auf das Verhalten des Verurteilten an, ob er erkennen lässt, dass er über die Morde, die er begangen hat, heute anders denkt als damals. Ja, ob er sie bereut. Wie er sich den Angehörigen der Opfer gegenüber verhält. Für meine Einstellung ist das von wesentlicher Bedeutung â und da existieren in dem Kreis, über den wir reden, offenbar doch deutliche Unterschiede. Ich trat übrigens dafür ein, für die Begnadigung von Terroristen dieselben MaÃstäbe gelten zu lassen wie für andere schwere Straftäter. Mein Bruder Bernhard war der Erste, der einen Terroristen begnadigte. Als damaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz hatte er 1988 Klaus Jünschke begnadigt. Der stammte aus der ersten Generation der RAF und war zu einer lebenslangen Haft verurteilt worden. Im Ãbrigen: Vergeben und Versöhnen
â das ist in erster Linie eine Frage, die von den Opfern und den Hinterbliebenen beantwortet werden muss. Ich wünsche ihnen die Kraft dazu.
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Bis heute gibt es unbeantwortete Fragen, man sieht das an dem Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, und bis heute gibt es eine Weigerung der Terroristen, bei der Aufklärung zumindest dieses Falles beizutragen.
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Ja, das zeigt sich in dem Prozess gegen Verena Becker, die in dem Verdacht steht, an der Ermordung von Siegfried Buback mitgewirkt zu haben. Ich verstehe durchaus, dass der Sohn des Herrn Buback genau wissen will, wer seinen Vater ermordet hat. Und ich bedauere, dass diejenigen, die es sagen könnten, schweigen. Nicht vergessen werden sollte, dass zugleich zwei weitere Männer ermordet wurden. Nämlich der Fahrer Wolfgang Göbel und Georg Wurster, der Leiter der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft.
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Haben Sie je mit Terroristen Gespräche geführt?
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Der Einzige, der mir begegnet ist und mit dem ich auch geredet habe, war Peter-Jürgen Boock. Ohne dass ich es wusste, wurde ich von einem Kollegen von Ihnen in einer Gesprächsrunde neben ihn platziert. Erst dachte ich, ich sollte besser gehen. Aber Boock äuÃerte sich dann in einer Weise, die mir einigermaÃen erträglich erschien. So lieà er eine gewisse Distanz zu seinen früheren Aktivitäten erkennen. Auch schilderte er einige Details, die jedenfalls mir bis dahin unbekannt waren. Deshalb blieb ich.
Ãber den Islam, Forderungen an Migranten und falschen Aktionismus
Herr Vogel, warum weckt gerade der Islam bei den Menschen hierzulande solche Ãngste?
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Weil es im Islam Vorstellungen gibt, die an den Zustand der christlichen Religion im 12. und im 13. Jahrhundert erinnern. Sie klingen nach Mission, auch unter Anwendung von Gewalt. Aber es ist verkehrt, solche Strömungen, die im Islam existent sind, mit dem Islam insgesamt gleichzusetzen. Hinzu kommen manche Lebensweisen von gläubigen Muslimen, die zunächst einmal überraschend bis fremd erscheinen. Etwa der weit verbreitete Brauch, dass islamische Frauen ein Kopftuch oder gar eine Burka tragen, sich also ganz verschleiern müssen. Auch die Art des Gebets ist für Menschen, die in Deutschland zu Hause und aufgewachsen sind, ungewohnt. Aber ich habe den Eindruck, dass sich die wechselseitige Fremdheit im Laufe der Zeit mildert.
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Wären Sie denn für ein Burka-Verbot im öffentlichen Raum?
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Die Frage stellt sich schon deswegen nicht, weil es hierzulande kaum Frauen gibt, die eine Burka tragen. In München habe ich ein-, zweimal welche gesehen. Aber die bummelten auf der Münchner MaximilianstraÃe als Begleitungen wohlhabender Scheichs. Die wollten sich hier operieren lassen oder irgendwelche Einkäufe tätigen. Aber an eine hier in Deutschland wohnhafte Muslima, die eine Burka getragen hätte, kann ich mich nicht erinnern.
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Wobei die Burka jetzt nur als Sinnbild für eine Verschleierung steht, die auch die Augen freilassen kann. Die Franzosen haben daraus die Konsequenz gezogen, dass diese Bekleidungsform künftig nicht mehr erlaubt sein soll. Finden Sie das richtig?
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Das ist deren Entscheidung. Ich sehe bei uns dazu gegenwärtig keine Notwendigkeit. Natürlich gibt es Situationen, in denen man das Gesicht der Betreffenden wahrnehmen muss. Zum
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