Wie zaehmt man einen Herzensbrecher
ungläubig. In typisch italienischer Manier streckte er theatralisch die Hände in die Luft, reckte seinen breiten Brustkorb heraus und ließ die erstaunlich weißen Zähne in seinem von der Arbeit in den Weingärten wettergegerbten gebräunten Gesicht blitzen. „Was ich hier tue?“
Merlina wusste, dass er sich nur aufplusterte, um im nächsten Moment einen ganzen Sturm über sie hereinprasseln zu lassen. „Du kommst doch sonst nicht unangemeldet vorbei“, warf sie rasch ein.
„Wie kann ich mich anmelden, wenn du nicht ans Telefon gehst?“ Seine dunklen Augen funkelten vorwurfsvoll, während er jedes seine Worte gestenreich untermalte. „Am Samstag nicht. Am Sonntag nicht. Heute nicht. Und als wir an deiner Arbeitsstelle angerufen haben, sagte man uns, du seist dort nicht länger angestellt. Wir erfuhren das von einer Fremden. Nicht etwa von unserer eigenen Tochter!“
„Ich hätte es euch schon noch erzählt.“ Merlina machte keinen Hehl daraus, dass sie die Vorliebe ihrer Familie dafür, dass jeder jedem alles sofort erzählte, nicht teilte. „Warum habt ihr überhaupt hinter mit hertelefoniert? Ist zu Hause etwas passiert?“
„Und schau, wohin dich deine kostbare Unabhängigkeit gebracht hat!“, fuhr ihr Vater unbeirrt fort, wobei er verächtlich auf die Kleidungsstücke am Boden deutete.
Merlina atmete tief ein und zwang sich, ruhig zu bleiben. „Was ist los? Was bringt dich hierher? Geht es Mama gut?“
„Nein, deiner Mutter geht es nicht gut!“, erwiderte er heftig. „Sie ist krank vor Sorge um dich. Den ganzen Tag jammert sie, dass Merlina irgendetwas Schlimmes passiert sein muss. ’Ich fühle es hier’, sagt sie …“, er presste eine Hand an sein Herz, um ihr den Kummer ihrer Mutter vorzuspielen. „’Ich kann es nicht ertragen, Angelo’, sagt sie. ’Du musst nach Sydney fliegen und nach ihr sehen.’ Und was finde ich hier?“ Mit einer ausladenden Geste deutete er aufgebracht um sich. „Meine Tochter …“, er betrachtete vielsagend ihren Morgenmantel aus roter Seide, „… ein halbseidenes Mädchen!“
Merlina verdrehte die Augen. Als Nächstes würde er behaupten, sie sei eine Prostituierte, und sie für immer aus seiner Familie verstoßen! Die moderne Welt und ihr Vater besaßen keinerlei Berührungspunkte. Das Problem war nur, Merlina wollte ihre Familie nicht verlieren. Also musste sie irgendeinen Ausweg finden. Nur wie?
„Sie haben das missverstanden, Mr. Rossi“, sagte plötzlich jemand hinter ihr ruhig.
Jake! Merlina fuhr herum. Er kam über den Flur, nur ein weißes Badetuch um die Hüften gewickelt. War ihm denn nicht klar, dass er mit seinem Erscheinen den Zorn ihres Vaters nur noch mehr schüren würde? Ihr Herz pochte in Panik.
„Sie trauen sich also doch aus Ihrem Versteck!“, meinte ihr Vater verächtlich, wobei er sich zu seiner ganzen Größe aufbaute, die Jakes in nichts nachstand.
„Ich habe mich nicht versteckt, sondern war lediglich im Bad“, widersprach Jake gelassen. „Zwangsläufig habe ich gehört, was hier gesprochen wurde, und hielt es für geraten, mich einzumischen.“ Er legte Merlina beschützend den Arm um die Schultern. „Denn ich lasse nicht zu, dass man Merlina beleidigt, Mr. Rossi.“
Die dunklen Augen ihres Vaters funkelten wütend. „Sie haben doch meine Tochter beleidigt, indem Sie sie ihrer Tugend beraubt haben!“
„Papa, bitte …“
„Wer ist dieser Mann?“, schnitt Angelo Rossi den Vermittlungsversuch seiner Tochter ab. „Habe ich dich nicht gelehrt, dich für deinen Ehemann aufzuheben?“
„Ich bin Jake Devila …“
„Devila?“, fiel Merlinas Vater ihm ins Wort. „Ist das nicht der Name deines Chefs?“
„Ich arbeite nicht mehr für ihn, Papa.“
„Wie? Er hat dich entlassen, weil du dich von ihm hast verführen lassen, mit ihm ins Bett zu gehen?“
„Nein, Papa!“
Ohne ihren Einwand zu beachten, wandte ihr Vater sich wieder angriffslustig Jake zu. „Sie sind ein Mann ohne Ehre. Sie haben Ihre Machtposition als Arbeitgeber missbraucht, um den Verstand meiner Tochter zu verwirren.“
„Das hat er nicht getan“, warf Merlina ein. Sie war einfach nur ein einziges Mal der Stimme ihres Herzens gefolgt.
Angelo Rossi deutete anklagend auf seine Tochter. „Er hat dich gezwungen, dir das Haar schneiden zu lassen … und Sylvana hat uns erzählt, wie er darauf bestanden hat, dass du aufreizende Kleidung zur Arbeit trägst.“
„Es gibt für all das gute Gründe“, versuchte Merlina einzuwenden,
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