Wie zaehmt man einen Scheich
Sie würde seinen Anblick nicht ertragen, wenn die Bilder in ihrem Kopf noch zu lebendig waren.
Seine Stimme ertönte wieder … er stieß eine Herausforderung aus, und unter lautem Gelächter gingen die anderen darauf ein. Der fröhliche Lärm zerrte an Aishas Nerven. Es war so unfair. Ganz offensichtlich kümmerte Zoltan die erzwungene Heirat nicht, obwohl er sie nicht zur Frau haben wollte. Auf jeden Fall litt er nicht, wenn er sich Zeit nehmen und sich mit seinen Freunden im Pool amüsieren konnte. Er hatte sich jedenfalls nicht die Augen ausgeweint, so wie sie. Und ein weiteres Mal schlug die Wahrheit mit voller Wucht zu: Sie war nicht mehr als eine Figur in einem Spiel, das andere spielten, nicht einmal wert, um damit einen Zug zu machen.
Das Geräusch von aufspritzendem Wasser und Anfeuerungsrufe drangen zu ihr. Die Neugier wurde stärker. Wer waren die Männer bei Zoltan? Etwa jene, die mit ihm zu dem Wüstenlager gekommen waren? Vielleicht sollte sie einen Blick riskieren. Der Pool schien kein Privatpool zu sein, schließlich hatte sie keine verschlossenen Tore passiert.
Dennoch achtete sie darauf, im Schatten des Torbogens zu bleiben, als sie in den dahinterliegenden Garten blickte. Zwei Männer konnte sie sehen, sie standen am Ende des Pools im Schatten von Palmen und feuerten laut jemanden an. Der Schatten jedoch konnte die tiefen Narben nicht verbergen, die im Zickzack über den Rücken des einen Mannes liefen. Aisha fragte sich, woher solche Narben stammen konnten, als sie zwei Armpaare mit kräftigen Schlägen das Wasser durchpflügen sah und ein Mann sich eine Kopflänge vor dem anderen aus dem Pool stemmte.
„Ich habe gewonnen!“, sagte er grinsend und schüttelte seinem Gegner die Hand.
Zoltan. Wie typisch, dass er auch hier als Sieger hervorgeht, dachte Aisha verstimmt. Wie typisch – und wie bedauerlich. Zu gern hätte sie ihn verlieren sehen. Sie wünschte, irgendjemand oder irgendetwas würde ihm dieses selbstzufriedene Grinsen vom Gesicht vertreiben. Selbst sein Körper strahlte pure Arroganz aus, jeder einzelne Muskel.
Fast wäre es ihr gelungen, sich abzuwenden, als er seine Schultern lockerte. Fasziniert beobachtete sie das Muskelspiel der breiten Brust. Wie von allein wanderten ihre Augen über seinen Torso, hinunter zu den schmalen Hüften, der knappen schwarzen Badehose, den muskulösen, langen Beinen …
Sie schnaubte leise, weigerte sich, beeindruckt zu sein. Zugegeben, in einer Hinsicht hatte sie sich wohl geirrt – wie Mustafa war er nicht, zumindest nicht, was die Statur betraf. Noch immer konnte sie vor sich sehen, wie der feiste Kerl sich mit beringten, fleischigen Fingern und Fingernägeln, lang wie die einer Frau, den üppigen Wanst kratzte. Noch jetzt erschauerte sie, wenn sie sich vorstellte, welchem Schicksal sie entkommen war.
Trotzdem – ob Muskeln oder nicht, vom Wesen her glich Zoltan genau seinem Halbbruder. Es war auch unerheblich, dass seine nasse Haut im Sonnenlicht wie dunkles Gold schimmerte, wenn es genügend Gründe gab, ihn zu hassen.
Sie war sicher, dass sich mit der Zeit noch mehr Gründe finden lassen würden.
„Ich hab dir Vorsprung gelassen“, hörte sie den anderen Mann behaupten.
Lachend schlug Zoltan seinem Gegner auf den Rücken, legte den Kopf in den Nacken und schüttelte sich das Wasser aus dem Haar.
Aisha blinzelte. Zoltan, der lachte? War das derselbe Mann, den sie heute in der Bibliothek getroffen hatte? Das Monster? Der Barbar, der sie böse angeknurrt und sie dann so anmaßend informiert hatte, dass sie keine Wahl hatte? Denn wenn er lachte, wurde er ein ganz anderer. Sein Gesicht veränderte sich, auch wenn es wohl nie schön zu nennen wäre. Dazu waren seine Züge zu markant, zu düster, wie der stärkste, schwärzeste Kaffee, den man sich vorstellen konnte. Aber wenn er lachte … dann wirkte er nahezu sympathisch.
Nahezu – attraktiv.
Ein prickelnder Stromstoß lief ihr über den Rücken. Morgen … morgen schon wäre dieser Mann ihr Ehemann. Er würde neben ihr im Bett liegen und noch weniger anhaben als jetzt. Und er würde von ihr erwarten, dass sie …
Furcht vor dem großen Unbekannten, das ihr bevorstand, überkam sie jäh. Sie barg ihr Gesicht in dem Zweig mit den duftenden Blüten und schloss die Augen.
So hatte sie sich das wirklich nicht vorgestellt …
„Prinzessin Aisha?“
5. KAPITEL
Der Blütenzweig fiel ihr aus der Hand, als sie sich überrascht umdrehte. Hinter ihr stand der Wesir, in eine
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