Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
Vom Netzwerk:
generell? Sie denkt an ihre Sprengberechtigung. Jeglicher
Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis würde ihre
Befugnis, mit explosiven Stoffen zu hantieren, automatisch aufheben.
Unwiderruflich. Ein Berufsverbot. Was, zur Hölle, hat sie sich
bloß dabei gedacht?
    Geir Gunnarson rettet sie. So zumindest kommt es ihr vor. Wenn er
etwas beherrscht, dann die Kunst, jemanden in ein Gespräch zu
verwickeln. Wie durch Hypnose geraten Livs eingeführte
Habseligkeiten darüber in Vergessenheit.
    Â»Was hast du bloß in deinem Koffer versteckt, dass du
so nervös warst?«, fragt er anschließend. »Deine
Panik war ja schon von weitem zu riechen, schlimmer als die
Alkoholfahne.«
    Sehr charmant. »Bloß ein mörderisch scharfes
Messer«, antwortet Liv, und seiner Miene nach zu schließen,
glaubt er ihr nicht. Ein Erfahrungswert: Willst du eine Lüge
verbreiten, sag die Wahrheit. Die kauft dir keiner billig ab.
    Kaum haben sie das Flughafengebäude verlassen, weht es ihnen
frostig entgegen. Eine vollkommen andere Art Wind, als sie von zu
Hause gewohnt ist, und Liv ist bestimmt nicht zimperlich, schließlich
kommt sie selbst von der Küste und war bis gestern auf Fehmarn,
wo auch nicht gerade liebliches Klima herrscht. Doch dieser Wind ist
neu für sie. Obschon nicht besonders stark, drei Windstärken
höchstens, ritzt er die Haut auf wie scharfkantiges Papier. Sie
steht da, als wäre sie nackt – in Jeans und Windjacke.
Eine Brise als Waffe. Dazu diese Helligkeit und eine Landschaft wie
auf einem Wüstenplaneten: dunkles Geröll,Steine und Felsen,
so weit da Sauge reicht, am Horizont Berge, davor Plattenbauten in
desolatem Zustand.Atemberaubende Schönheit? Wo? Am liebsten
würde sie auf der Stelle umdrehen und zurückfliegen.
    Â»Willst du eigentlich hier Urlaub machen?«, fragt
Geir, der sich dicht hinter ihr hält.
    Kopfschütteln. »Nein, ich suche ...«
    Liv lässt den Satz unvollendet, worauf er nickt, als habe er
sie genau verstanden. Zum Abschied gibt er ihr seine Visitenkarte und
eine letzte Weisheit mit auf den Weg. »Dann wünsche ich
dir viel Glück. Und denk dran: Island erträgt jeden.Aber
nicht jeder erträgt Island.«
    Â 

Spuk
    Wie Fritzi sich wünscht, sie hätte diesen verdammten
Stein geworfen. Dem Braunen die Stirn geboten. Das Tier auf der
Straße früher gesehen ... Das ist ja das Perfide an
Schicksalsschlägen – es gibt immer
    einen Weg, sich schuldig zu fühlen. Mindestens einen. Wie
viel schwieriger es hingegen ist, eine tatsächliche Schuld
einzugestehen. Mit der gleichen fiebrigen Energie, mit der sie
phantasiert, sie hätte diese oder jene Katastrophe verhindern
können, erdenkt sie Ausflüchte, um die Haftung für die
großen Verfehlungen ihres Lebens zu leugnen. Da sie aber genau
weiß, was sie da tut, fällt sie nicht darauf herein. Was
bleibt, ist ein tiefer Unfrieden: Weder als Täterin noch als
Opfer fühlt sie sich wohl in ihrer Haut. Fritzi, tagein, tagaus
ans Bett gefesselt, hadert, hustet und lebt von Keksen.Abgründe,
wohin sie blickt: draußen in der Welt, im Gestern wie im Heute,
im Herzen. Vielleicht ist auch alles ein und derselbe Abgrund. Die
Schöpfung als Moloch.
    Dann der Tag, an dem der Regen aufhört. Das Grabtuch schwerer
Wolken und Nebelschwaden über Bjarg wird fadenscheinig und
zerreißt, der Wind türmt die Überreste zu formidablen
Gebilden: Luftschlösser, von der Sonne beschienen. Beim
verächtlichen Beiklang dieses deutschen Worts muss Fritzi
lächeln. Sie gebraucht es anders, mit Respekt. Luftschlösser
sind etwas Wunderbares. Man kann in ihnen umherspazieren und staunen,
sie kosten kein Geld und machen keine Arbeit. Und in Island gibt es
mehr davon als irgendwo sonst, davon ist sie überzeugt.
    Der nordische Himmel:Auf der Esja fällt ihr auf, dass das
Licht sich verändert, je länger die Schiffspassage dauert.
Es wird reiner, ohne zu blenden, ein sanftes Leuchten, ein Glanz.
Feierlichkeit überkommt sie, während sie an Deck steht,
Stunde um Stunde, und der Dampfer die grauen nordatlantischen Wogen
durchpflügt. Die Mitreisenden schlagen sich unterdessen die
Bäuche voll, so viele fette Mahlzeiten, wie ihnen die Seeleute
auftischen, haben sie lange nicht gesehen, manche noch nie. Fritzi
isst wenig an Bord, sie trinkt viel Wasser und keinen Alkohol. Vor
der Abreise hat ein Kapitän in

Weitere Kostenlose Bücher