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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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fest.
    Â»Berufskrankheit. Ich bin Ingenieurin und ...« Sie
legt, wie immer an dieser Stelle, eine dramaturgisch günstige
Pause ein. ». Sprengmeisterin.«
    Â»Ach so.«
    Ach so? Was soll das heißen – ach so? Liv ist andere
Reaktionen gewöhnt, wenn sie ihren Beruf nennt, eigentlich
schüttelt sie damit ein As aus dem Ärmel. Ihre beste Karte
überhaupt. Rúnar tut ja gerade so, als würde er
täglich mit irgendwelchen Astronautinnen, Formel-Eins-Pilotinnen
oder Chemienobelpreisträgerinnen Tee trinken: völlig
unbeeindruckt.
    Er fragt, ob sie Zucker möchte.
    Liv geht nicht darauf ein, sondern legt nach: »Schwerpunkt
Bauwerkssprengungen.«
    Er nickt gedankenverloren, besorgt ein Päckchen Würfelzucker
und hält es ihr so lange hin, bis sie, ohne zu wollen, ein Stück
nimmt.
    Als er den Teebeutel über seiner Tasse abtropfen lässt,
zittert seine Hand. Heftig genug, um eine kleine Ãœberschwemmung
auf der Tischplatte zu verursachen. Er sieht, dass sie es sieht, und
fühlt sich eindeutig zu einer Erklärung genötigt:
    Â»Meine Berufskrankheit.« Ein Schatten von Rot auf
seinen wettergebräunten Wangen.
    Â»Kein Wunder, so wie du spielst.Also bist du hier
tatsächlich der Organist vom Dienst?«
    Â»Kantor, ja. Womit wir etwas gemeinsam haben: Wir werden
beide manchmal um Autogramme gebeten, nachdem wir gezeigt haben, was
wir können.«
    Liv ist überrascht. Er scheint sich gut auszukennen.
    Â»Hab ich mal im Fernsehen gesehen«, beantwortet er
ihre unausgesprochene Frage. »Sag, kommen wirklich Zehntausende
von Zuschauern?«
    Imponiert es ihm jetzt doch, womit sie ihr Geld verdient? Oder
will er nur nett sein, weil er ihre Enttäuschung erraten hat?
    Â»Ab und zu.Aber die meisten Aufträge sind natürlich
eher unspektakulär.«
    Sie trinken. Pfefferminztee mit Zucker ist eine scheußliche
Angelegenheit. Konversation über Musik, gelegentlich
unterbrochen von Isländern, die ihren Kopf zur Tür
hineinstecken, um Rinar etwas zu fragen, Kollegen von ihm, wie Liv
vermutet. Sie genießt es, wenn sich eine kurze Unterhaltung
oder sogar eine Diskussion ergibt und sie, herrlich unbeteiligt, ohne
ein Wort zu verstehen, zuhören kann, in die Melodie der fremden
Sprache versunken. Wenn es nach ihr ginge, bräuchten sie und
Rinar gar nicht miteinander zu reden. Sie ist von ihm als Mann mehr
und mehr angetan, was ihre Fähigkeiten zum Small Talk weiterhin
einschränkt, währenddessen er den Eindruck erweckt, mit
seinen Ausführungen eigentlich auf ein anderes Thema abzuzielen
und sich über den Weg dorthin im Unklaren zu sein. Gleichwohl:
So erfährt sie von seinem Studium an einer deutschen
Musikhochschule.
    Als es an ihr ist, etwas beizutragen, um nicht kauzig zu wirken,
erzählt sie von ihrer Band. Es ist schwierig, ihm eine
Vorstellung von dem Projekt zu vermitteln. Wie soll sie Worte finden
für Raum und Klang? Schließlich summt sie ihm eines ihrer
Lieder vor. Dabei hat sie erstmalig das Gefühl, er würde
sie annähernd mit derselben Hingabe betrachten wie sie ihn.
    Dennoch: Liv ist entschlossen, sich nicht zu verlieben.Allein die
Existenz der Möglichkeit ist ein außerplanmäßiges
Ereignis und macht sie verlegen. Sie denkt an Max und an andere, die
vor ihm da waren, manche schön, andere weniger, natürlich
hat sie jeden von ihnen gern angeschaut, nur von Rinar kann sie ihren
Blick nicht eine Sekunde abwenden. Sicher will sie mit ihm ins Bett,
doch das ist nicht der Punkt. Sie begreift, sie ist allen Vorsätzen
zum Trotz drauf und dran, sich in etwas hineinzustürzen, das die
Bezeichnung heillosverdient. Wie kann das angehen? Liv ist dermaßen
konfus, dass sie für den Moment sogar bereit wäre, an
Geister zu glauben.
    Sie ruft nie um Hilfe.Als es am Küchenfenster klopft und die
Stimme des Nachbarn, hölzern wie eh und je, die Abendstille
durchlöchert, versammelt Fritzi alle verbliebenen Lebensgeister
auf ihrer Zunge, um laut und kräftig zu antworten. »Willst
du zu mir? Das passt jetzt nicht. Komm ein andermal wieder.«
»Wie geht es dir?« »Danke, gut.« »Alles
in Ordnung?«
    Â»Ja.« Lange wird sie das nicht mehr durchstehen.
    Â»Ich habe deine Kühe gemolken. Sie haben geschrien.
Soll ich die Milch vor die Tür stellen?«
    Â»Ja. Oder behalt sie.« Verflixt und zugenäht. Die
Kühe. Sie wird dem Nachbarn einen

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