Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
Vom Netzwerk:
nicht gemeldet? Ich habe mir Sorgen gemacht.«
    Seine Umarmung ist eine Spur zu fest, um noch herzlich zu sein.
»Tut mir leid. Kein Grund, mich zu zerquetschen.«
    Er lässt sofort los. »Ich hatte dich schon aufgegeben«,
sagt er, und es klingt, als meine er das tatsächlich ernst.
    Â»So schnell wirst du mich nicht los«, erwidert Liv.
    Abendessen in einem Restaurant mit einem unaussprechlichen Namen:
Við Tjörnina. Sie wäre lieber ins Kaffi Sólon
gegangen, an ihren Stammplatz mit dem kniegefährlichen
Tischbein, um ihr Herz herzuschenken, aber Rúnar wollte sie
zur Feier des glücklichen Ausgangs ihres Westfjordabenteuers
unbedingt zum Hummeressen ausführen. Möglicherweise ein
Zeichen, dass er Ähnliches im Schilde führt wie sie.
    Das ausgebuchte Restaurant, untergebracht im ersten Stock eines
älteren Gebäudes, gefällt Liv:vollgestopft mit
Antiquitäten in Mahagoni und Eiche, dabei nicht wirklich edel,
eher eigenwillig. Besonders der Tisch, der für sie reserviert
wurde: Eine Glasplatte bedeckt eine Kollage aus Oblaten, bunte Bilder
mit Engeln und Heiligen, die sich Kinder früher gegenseitig in
die Poesiealben geklebt haben. Im Hintergrund dudeln Schlager aus den
Vierzigern – auf Isländisch eingesungen. Die Kellner sind
zuvorkommend, die Meeresfrüchte exzellent. Ideale
Voraussetzungen also, um zu entspannen und die Dinge auf sich
zukommen zu lassen. Doch je gelöster die Atmosphäre –
an anderen Tischen werden Krawatten gelockert, es wird gescherzt und
gelacht –, desto weniger geschmeidig entwickelt sich
komischerweise die Unterhaltung. Rúnar trinkt ein Glas
Weißwein nach dem anderen und lässt sich dabei zum zweiten
Mal ausführlich die Ereignisse während des Schneesturms
schildern, begleitet von ungläubigem Kopfschütteln
seinerseits und regelmäßigen Hinweisen darauf, was sie für
ein Glück gehabt habe. Und wie dumm und leichtsinnig sie gewesen
sei.Allmählich kann Liv es nicht mehr hören. Zumal sie
nebenbei darum bemüht ist, im Hinterkopf bereits die Worte für
das eigentliche Thema des Abends zu formulieren: Könntest du dir
vorstellen, dass wir zusammenbleiben? Oder zusammenkommen? Oder: Ich
will mit dir zusammen sein. Klingt alles ziemlich daneben.
    Â»Hörst du mir überhaupt zu?« Rúnar
sieht genervt aus, wie er ständig die Stirn in Falten legt und
so grob mit dem Besteck hantiert, als müsse er den Hummer erst
noch erlegen. Das Messer quietscht laut auf dem Porzellan, die Leute
am Nachbartisch haben schon ein paar Mal pikiert zu ihnen
herübergesehen. Irgendetwas läuft gründlich schief.
    Â»Ob du mir zuhörst, hab ich gefragt.«
    Â»Ehrlich gesagt, nicht. Ich war in Gedanken.«
    Â»Ach ja? Und woran denkst du?«
    Liv atmet geräuschvoll ein und wieder aus. »An uns.«
    Pause. Ein Anfang ist gemacht. Jetzt nur nicht zurück rudern,
obschon seine Antwort alles andere als ermutigend ausfällt: »Was
gibt es denn da zu denken?«
    Â»Könntest du dir vorstellen, dass mehr daraus wird?«
    Â»Wie mehr?«
    Mistkerl. Hätte sie einen Funken Selbstachtung, wäre
dies der richtige Zeitpunkt, aufzustehen und zu gehen. Liv weiß
das, bleibt aber sitzen.
    Â»Ich schätze, du weißt genau, wovon ich rede«,
sagt Liv.
    Â»Ich wollte dir eine Chance geben, deinen Antrag
zurückzunehmen.«
    Â»Es war kein Antrag, nur eine Frage.«
    Â»Eine Scheißfrage.«
    Â»Okay. Vergiss sie. Hab schon verstanden.« »Hast
du nicht. Nichts hast du verstanden.« Liv hebt die Augenbrauen.
    Rúnar greift nach seinem Weinglas, leert es in einem Zug
und lässt es dann mit voller Absicht auf den Dielenboden fallen,
wo es zerspringt.
    Â»Hast du gesehen?«, fragt er, einen fiebrigen Glanz in
den Augen.
    Liv antwortet nicht.
    Â»So einfach ist es, etwas zu zerstören. Damit kennst du
dich doch aus – oder? Zerstörung ist doch dein Geschäft.
Es geht ganz leicht, Ordnung in ein Durcheinander zu
verwandeln.Andersherum ist es ein Problem. Kapiert?« »Nein.«
    Inzwischen ist ein Kellner damit beschäftigt, die Scherben
zusammenzukehren, nachdem er zuvor ein neues Glas gebracht und
Weinnachgeschenkt hat. Liv lächelt ihm zu. Sie wünschte,
Rúnar würde abwarten, bis sie wieder allein sind, doch er
doziert unbeirrt weiter: »Es ist der Lauf der Dinge. Ein heiles
Glas zerspringt in hundert

Weitere Kostenlose Bücher