Wiedersehen in Barsaloi
Schusswunde am Arm. Als man sie später fand, standen alle unter Schock. Kurzfristig wurde die Mission evakuiert. Man forderte Unterstützung aus Nairobi an, doch es dauerte Tage, bis etwas passierte. In der Zwischenzeit hatten sich alle Krieger der Samburu versammelt und beschlossen, auch ohne Gewehre ihre Herden wieder zurückzuholen, was ihnen später fast zur Gänze gelang. Erst nach einigen Tagen und vielen, vielen Toten sandte die Regierung Verstärkung. Als einer der Aufklärungshelikopter abgeschossen wurde und dabei ein District-Officer ums Leben kam, wurde gehandelt und es fielen einige Handgranaten. Doch da waren die Dörfer bereits alle verlassen und die Menschen in die Gegend von Maralal geflüchtet.«
Wir fragen den Pater nach dem Grund für dieses Massaker. »Den Grund kennt niemand so genau. Einige Monate zuvor waren Bohrungen im Samburugebiet durchgeführt worden und dabei hatte man auch Spuren von Gold gefunden. Aber ich weiß nicht, ob da ein Zusammenhang besteht. Zum anderen gab es einige Monate davor eine große Auseinandersetzung zwischen Somali und Samburu mit Toten auf beiden Seiten, allerdings in einem entfernteren Gebiet, Richtung Wamba. Man weiß einfach nicht genau, wieso und weshalb dies geschah.«
Während ich dem Missionar zuhöre, erinnere ich mich an die Briefe, die ich damals von James bekommen habe. Er schrieb, dass sie zusammengepfercht in der Nähe von Maralal bei fremden Leuten wohnten. Sie hatten fast alles verloren. Mama wurde damals Gott sei Dank mit einem Wagen rechtzeitig aus Barsaloi weggebracht. Zu all dem Schrecken musste sie zum ersten Mal in ihrem Leben in ein Auto steigen! Von heute auf morgen waren sie im eigenen Gebiet zu Flüchtlingen geworden. Viele Menschen verhungerten damals.
Ich half, so gut ich konnte, war aber zur selben Zeit in der Schweiz arbeitslos. Zwei Jahre später warteten sie immer noch darauf, zurückkehren zu können. Ich dagegen hatte gerade die ersten Erfolge mit meinem Buch. Ein Jahr später im Juli 1999 besuchte Albert sie und konnte ihnen ebenfalls helfen. Wenn ich an die damaligen Fotos von der Familie denke, löst die Erinnerung Beklemmung aus. Zum Glück sieht man heute in Barsaloi keine Spuren der Verwüstung mehr und die meisten Familienmitglieder scheinen die damalige Vertreibung gut überstanden zu haben. Was mich allerdings doch etwas beunruhigt, ist die Tatsache, dass jetzt viele Krieger mit Gewehren herumlaufen.
Meine Gedanken werden vom Pater unterbrochen, der sich verabschiedet, um sich für die Nachtruhe zurückzuziehen. Auch wir kriechen in unsere Zelte und jeder versucht auf seine Weise, die intensiven Eindrücke zu verarbeiten.
Lketingas neue Frau
Am nächsten Morgen erwache ich kurz nach sechs Uhr. Aus dem Dorf höre ich vereinzelte Stimmen und so glaube ich, zu Mama hinübergehen zu können. Um diese Zeit ist es noch recht kühl und ich kann einen Pullover gut vertragen. Als ich kurz darauf den Kral erreiche, ist von außen noch kein Zutritt möglich, weil Dornengestrüpp den Eingang blockiert. Ich spähe über den Zaun, bis mich Lketinga entdeckt. Er hat seine neue Decke über den Kopf gezogen und schlendert langsam durch die Herde auf das »Tor« zu. Lachend öffnet er und fragt mich, warum ich schon so früh auf den Beinen sei. Ich berichte, dass bei uns im Camp noch alles ruhig sei und ich lieber hier unten bei den Tieren warte. Auch möchte ich James um ein paar Eier bitten, da wir nichts mehr zum Frühstücken haben. James hat uns wohl sprechen gehört und kommt verschlafen aus seinem Haus. Nach der Begrüßung übergibt er mir die letzten vier Eier, mehr haben sie zur Zeit nicht.
Ich möchte mich wieder auf den Rückweg begeben, doch Lketinga schickt mich zu Mamas Manyatta, um einen Chai zu trinken. Ich bitte um Einlass und auch Mama staunt lächelnd, dass ich schon so früh unterwegs bin. Zwei ältere Männer haben bei ihr offenbar schon Chai getrunken, denn sie verlassen gerade die Manyatta. Sie reicht mir eine Tasse herüber und stellt gleichzeitig den Topf mit dem gerösteten Fleisch aufs Feuer. Ich bin erstaunt, dass immer noch etwas davon da ist. Offensichtlich hat sie es wirklich speziell für mich gekocht und verschenkt deswegen kein einziges Stückchen. Sie drückt mir einen Suppenlöffel in die Hand, ermuntert mich wieder mit ihrem »Tamada, tamada« und verlässt anschließend die Hütte. Erfreut und gleichzeitig verlegen esse ich einige Löffel Fleisch zum Frühstück. Ich bin sicher die Einzige, die
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