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Wiedersehen in Barsaloi

Wiedersehen in Barsaloi

Titel: Wiedersehen in Barsaloi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinne Hofmann
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Lketinga erklärt mit ärgerlicher Gestik: »Gestern Abend war meine Schwester betrunken. Ich will das nicht und ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte.« Sofort erinnere ich mich an das Geld, das ich ihr und Mama gegeben habe, und fühle mich mitschuldig.

Gespräche in der Manyatta
    James hat sich in der Zwischenzeit die Hände gewaschen und nun kriechen er und ich in Mamas Hütte und setzen uns auf das Kuhfell. Er wird die Rolle des Übersetzers übernehmen und deshalb ist es gut, wenn er in meiner Nähe bleibt. Klaus folgt uns und setzt sich auf den kleinen Hocker neben der Feuerstelle. Lketinga lässt sich neben dem Eingang nieder, während Albert nach der Begrüßung wieder außerhalb der Hütte im Schatten Platz nimmt. Dort kann er alles genauso gut hören wie drinnen, da eine Manyatta nicht aus richtigen Wänden besteht, sondern lediglich einen Sichtschutz bietet.
    Mama schaukelt wie immer das Baby von James, während sie uns begrüßt. Heute trägt sie einen der neuen Röcke. James beginnt das Gespräch, indem er ihr erklärt, dass ich sie noch einiges fragen möchte. Sie schaut mich an und bekundet ihr Einverständnis. Als Erstes möchte ich gerne wissen, was sie empfunden hat, als James ihr mitteilte, dass ich auf Besuch komme. Mama antwortet: »Ke supati pi – sehr schön! Ich habe mich sehr gefreut, aber wie alle anderen konnte ich es nicht recht glauben. Niemand hier im Dorf hat gedacht, dass du nach so langer Zeit wieder zurückkommst. Das nächste Mal aber bringst du Napirai mit, meine kleine Napirai.«
    Ich muss lachen, denn meine Tochter ist mittlerweile größer als ich. Doch für Mama bleibt sie die Kleine, so wie sie Napirai zum letzten Mal gesehen hat. Dann fügt sie hinzu, dass es für alle gut sei, mich nach so langer Zeit wiederzusehen. Lketinga nickt und bestätigt sie mit den Worten: »Really, this is very good! Aber niemand hat es geglaubt. Alle Frauen haben nach der Ankunft eures ersten Wagens gesagt: Da stimmt etwas nicht und Mama Napirai kommt doch nicht, wir haben es ja gewusst!« Dabei schüttelt er schmunzelnd den Kopf. Als James dann noch den Spruch »Only a Queen is moving in this way« wiederholt, brechen wir alle, sogar Mama, in Gelächter aus.
    Klaus erkundigt sich, wie es war, als ich damals nach Barsaloi kam und sie mich zum ersten Mal sah. Mamas Gesicht ist ernst, als sie nach kurzem Überlegen sagt: »Ich hatte einfach nur Angst.« Ich frage nach, wovor sie Angst hatte. James übersetzt so gut es geht: »Weil eine Weiße etwas Unbekanntes für mich war. Ich dachte, wie soll ich mit ihr sprechen, wenn sie mich nicht versteht? Wer ist sie überhaupt? Ich weiß nichts über sie. Sie ist sicherlich ein anderes Zuhause gewöhnt und jetzt kommt sie hierher und möchte bei uns in einer Rauchhütte leben. Wir haben fast nichts zu essen, trinken stattdessen Milch mit Blut. So viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, dass ich einfach Angst hatte. Ich dachte auch, was kann diese Weiße für mich tun? Jede Frau meiner Söhne ist wie ein Kind für mich. Ihre Sorgen sind auch meine Sorgen und umgekehrt. Bei dir, fürchtete ich, würden die Sorgen noch größer sein. Ich glaubte, du könntest mir kein Feuerholz, Wasser und Essen besorgen, weil du eine Weiße bist. Wer sollte meine Kleider waschen und meine Arbeit erledigen – doch nicht diese Mzungu? Im Gegenteil, wir würden das alles für dich auch noch tun müssen. Ich sah zuerst einfach nur Probleme. Andererseits wusste ich von Lketinga, dass du den weiten Weg von Mombasa gekommen bist, um ihn zu sehen. So musste ich dir auch eine Chance geben – und du bist geblieben. Und du hast hart gearbeitet. Du hast für mich gesorgt und Feuerholz und Wasser gebracht, besser als jedes Kind vor dir. Du hast mir Essen gebracht, wann du konntest, und es ging mir gut. So ist meine Liebe zu dir langsam gewachsen.«
    Aufgewühlt höre ich zu und mir laufen wieder Tränen über die Wangen. Bis heute war mir nicht klar, wie viele Sorgen sie sich damals gemacht hatte. Sie erzählt weiter, dass auch die Leute aus dem Dorf zu ihrer Manyatta gekommen seien und sie ständig gefragt hätten, was ich für eine Mzungu sei. Wieso sie mir erlaube, in ihrer Hütte zu leben, wenn sie mich nicht kenne. Wie sie es mit mir überhaupt aushalte, wenn sie nicht mit mir sprechen könne. »Mit der Zeit antwortete ich allen: ›Ich fühle mich trotzdem gut mit ihr und sie erledigt ihre Arbeit. Sie macht keine Probleme und fängt keinen Streit an.‹ Nach einigen

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