Wiedersehen in Barsaloi
Lebensweise immer häufiger auf. Mir scheint, als verlören sie dabei ihre Wurzeln.
Je länger wir uns unterhalten, desto gelöster wird die Stimmung, so dass ich es wage, Lketinga noch einmal zu fragen, wie es damals für ihn war, als er erfuhr, dass ich nicht mehr zurückkehren würde. Er schaut mich an und sagt ernst: »Ich habe es lange nicht geglaubt, weil du vorher immer zurückgekommen bist. Ich hatte bald Probleme mit dem Shop, weil kein Geschäft mehr zu machen war und ich deshalb Geldsorgen bekam. Alle wollten mich betrügen. Als auch noch das Auto gebrannt hat, hatte ich kein Geld, es reparieren zu lassen. Deshalb verkaufte ich das große Auto und bekam dafür ein kleineres. Mit diesem fuhr ich Taxi, bis ich einen Unfall hatte und ins Gefängnis musste. Ich hatte wirklich viele Probleme und möchte gar nicht mehr daran denken.«
James ergänzt: »Ja, als ich drei Jahre, nachdem du in die Schweiz zurückgegangen warst, davon hörte, fuhr ich wieder nach Mombasa, um ihn zu suchen. Lketinga ging es sehr schlecht, als ich ihn fand. Ich bat ihn, mit mir nach Hause zu kommen, was er auch wollte. Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen, um mit dem Bus gemeinsam nach Maralal zu fahren. Doch er kam nicht und ich fuhr allein zurück, denn ich musste wieder mit der Schule beginnen. Als ich aber einen Tag danach in Maralal auf eine Mitfahrgelegenheit nach Barsaloi wartete, kam Lketinga plötzlich ganz allein daher und wir gingen zusammen nach Barsaloi. Er hatte natürlich kein Haus, wo er bleiben konnte, und auch sonst nichts, außer vielen Tieren. In all den Jahren, in denen er nicht zu Hause war, hatte sich seine Ziegen- und Kuhherde sehr vergrößert. Unser älterer Bruder hat sein Vieh gehütet. Es ist bei uns üblich, dass die Tiere eines anderen nicht geschlachtet oder verkauft werden. Auf diese Weise war Lketinga trotz allem reich, als er nach Hause kam. Wir beschlossen, dass es das Beste wäre, wenn er eine Frau sucht, die ein Haus bauen und Kinder bekommen kann. So heiratete er nur einen Monat später seine zweite Frau, Mama Shankayon. Sie bekam aber nach dem ersten Kind viele Probleme. Alle weiteren Kinder sind gestorben. Jetzt ist sie zurück nach Hause zu ihren Eltern gegangen und wir wissen nicht, wann sie wiederkommt.«
Lketinga nickt abwesend und Mama hört stumm zu. Ich spüre deutlich, dass mein Ex-Mann über seine Vergangenheit nicht mehr sagen kann oder will. Stattdessen erwähnt Lketinga wieder das Buch und den Film und fordert James auf, uns über die Vorkommnisse hier in Barsaloi aufzuklären. So beginnt James, etwas ausführlicher zu erzählen: »Ja, wie ihr wisst, kommen immer wieder fremde Leute hierher, meistens Journalisten aus Kenia. Sie wollen erfahren, ob wir den Inhalt des Buches kennen. Ob wir wissen, dass diese Corinne die Samburu schlecht gemacht hat und viel Geld dafür bekommt. Doch wir sagen immer, dass wir den Inhalt des Buches kennen und auch wir Geld bekommen und keine Probleme haben. Sie hat über unsere Familie geschrieben und nur wir können beurteilen, ob es gut oder schlecht, richtig oder unwahr ist. Wir haben sogar bei einem kenianischen Botschafter, der ein Samburu ist und deutsch spricht, nachgefragt und er hat uns ebenfalls versichert, dass alles in Ordnung ist. Wenn sie das hören, ziehen die meisten Journalisten wieder ab. Es gibt aber auch welche, die unbedingt wollen, dass wir etwas Schlechtes über das Buch oder den Film sagen, und wollen uns Geld dafür geben. Einer von ihnen hat sogar zu Lketinga gesagt, er müsse zum District-Officer gehen und verlangen, dass man diese Corinne in der Schweiz ins Gefängnis bringen müsse. Da ist Lketinga sehr böse geworden und hat sie aufgefordert, ihn in Ruhe zu lassen. Doch er wurde weiterhin belästigt.«
Lketinga mischt sich ins Gespräch und bestätigt: »Yes, die waren wirklich verrückt. Ich habe ihnen immer wieder gesagt, dass ich das nicht will. Dass du meine Frau bist und es in Ordnung ist, wenn du ein gutes Leben in der Schweiz führst. Ich möchte auch, dass es meinem Kind gut geht. Mir geht es gut und ich brauche nicht so viel zum Leben wie du in der Schweiz. Du hast ja auch keine Kühe und Ziegen. Aber diese Leute haben nicht aufgegeben, bis ich ihnen drohte, sie zu verprügeln, wenn sie nicht verschwinden, denn sie haben die Menschen hier in Barsaloi verunsichert.« James fügt hinzu: »Auch unser Priester, der das Buch in Spanisch gelesen hat, hat mit den Leuten gesprochen und ihnen gesagt, dass
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