Wiedersehen in Barsaloi
Delikatesse! Hier und da erblicken wir kleinere Zebraherden. Von größeren Tieren wie Giraffen oder Elefanten fehlt heute allerdings jede Spur. Lediglich große Kothaufen lassen erkennen, dass hier vor nicht allzu langer Zeit Elefantenherden durchgezogen sind. Zwischen den Schirmakazien stehen nicht selten bis zu zwei Meter hohe, verlassene, kunstvolle Termitenbauten. Der neue Priester aus Barsaloi erzählte uns, dass er die entstehende Kirche in Opiroi aus diesem steinharten Material bauen lasse. Es eigne sich hervorragend, sei strapazierfähig und koste nichts.
Wir sind nun schon etwa zwei Stunden unterwegs und sollten allmählich darauf achten, wann wir von der Piste in den Busch abzweigen müssen. Klaus war zwar schon einmal vor unserer gemeinsamen Reise am Filmset, kam aber aus einer anderen Richtung. Er hat gehört, dass ein neuer Zubringerweg zum Set angelegt worden ist. Fahrspuren sind zwar immer wieder zu erkennen, aber keine sehen wie die von schweren Lastern aus. Das Filmset befindet sich irgendwo in der Nähe von Wamba, das ich in der Ferne bereits erkenne. Nun kann es wirklich nicht mehr weit sein!
Je geringer die Entfernung zum Filmset wird, desto unruhiger und nervöser werde ich. War ich bis vor kurzem in Gedanken noch ausschließlich mit meiner afrikanischen Familie beschäftigt, wird dieses Gefühl nun mehr und mehr von einer neuen inneren Erregung überlagert. Vor allem bin ich gespannt auf die Begegnung mit Nina Hoss, der Schauspielerin, die mich darstellen soll. Ich hoffe inständig, dass sie und ich einander sympathisch sind. Für sie ist es wahrscheinlich auch nicht einfach, der Frau zu begegnen, deren Leben sie nun nachspielt. Und der Hauptdarsteller? Wird er Lketinga würdig vertreten, obwohl er kein Samburu und kein Massai ist? Natürlich habe ich meine Zweifel.
Auf der anderen Seite war mir immer klar, dass ein traditionell lebender Samburu diese Rolle nicht spielen kann. Wie sollte er ein Leben spielen, wenn er gar nicht weiß, was ein Film ist. Wenn er vielleicht noch nie mit einer weißen Frau gesprochen, geschweige denn körperlichen Kontakt hatte? Die traditionellen Samburu tauschen kaum Zärtlichkeiten aus und Küsse sind absolut tabu. Und nun sollte ein Krieger diese Rolle drei Monate lang spielen und einige Szenen bis zu zwanzig Mal wiederholen? Nein, das wäre wirklich nicht möglich gewesen! Nachdem die Filmemacher auch unter den »touristenerfahrenen« Samburu oder Massai von der Küste nicht fündig geworden sind, haben sie sich für einen weltoffenen, sympathischen Afrikaner entschieden, der nicht aus Ostafrika stammt. Und nun bin ich sehr neugierig, ob ich die Lobeshymnen der Filmverantwortlichen über ihn teilen kann. Ich hoffe es sehr.
Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, auf dem Weg zu einem Filmset zu sein, an dem gerade ein Teil des eigenen Lebens verfilmt wird. Meist gelingt es mir zwar gut, die Dinge auseinander zu halten und mir klar zu machen, dass dies nur ein Film und nicht meine reale Vergangenheit ist. Immer wieder aber gibt es Momente, in denen ich erwarte, dass alles exakt so sein sollte, wie ich es erlebt habe. Ich glaube, es wird nicht immer einfach sein und ich hoffe sehr, dass dieser Besuch bei den Dreharbeiten meine Ängste etwas mildern wird.
So sehr bin ich in meinen Gedanken versunken, dass ich die vergebliche Suche nach dem Zubringerweg gar nicht so recht mitbekomme. Ein paar Mal endet die vermeintlich richtige Piste im Nichts und wir müssen umkehren. Wir befinden uns mittlerweile kurz vor Wamba, als uns ein Jeep begegnet, der mit einem großen gelben Aufkleber »The White Massai« versehen ist. Klaus kennt die Insassen, denn sie gehören zum Filmteam, und lässt sich von ihnen den Weg beschreiben. Einige Kilometer weiter entdecken wir mitten in der Steppe ein Schild mit einem Pfeil und der Aufschrift »White Massai Location«. In meine bangen Erwartungen schleicht sich beim Lesen dieser Worte nun doch ein gewisses Gefühl des Stolzes ein.
Nach zweimaligem Durchqueren des mächtigen Wamba-Rivers, der glücklicherweise noch kein Wasser führt, befinden wir uns kurze Zeit später vor der Einfahrt des Camps. Das Areal ist umzäunt und wird von Wachmännern geschützt. Hinein kommt nur, wer eine Erlaubnis hat. Vor der Barriere stehen viele Frauen und Männer. Die meisten von ihnen tragen die traditionelle Samburu-Kleidung. Einige haben kleine Stände aufgebaut und bieten für die zahlreichen Mitarbeiter des Filmprojekts Souvenirartikel an.
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