Wiedersehen in den Highlands - Roman
fast noch ein Kind zu sein. Sie wäre lieber rasch weitergeeilt, aber das Pferd, ein edler Fuchshengst, versperrte ihr den Weg. Also blieb sie stehen, schlug die Kapuze zurück und entbot dem jungen Mann einen kühlen, knappen Gruß.
»Sind Sie hier, um sich wieder etwas weissagen zu lassen, Miss Hewitt?«, erkundigte sich Mr. Frye.
»Ich bin gekommen, um ein Heilmittel für unsere Haushälterin zu kaufen, die erkrankt ist.«
»Ist es das Fieber?«
»So ist es, Mr. Frye, das Fieber.« Sie hielt kurz inne. »Ist Tom ... ist Mr. Brodie heute zufällig mit Ihnen in der Stadt?«
»Heute nicht, leider«, antwortete Peter Frye. »Ich glaube, er düngt eines seiner Felder oder, wie ich vielleicht besser sagen sollte, der Felder Ihres Vaters.«
»Düngt?«
»Verteilt Jauche darauf«, erklärte Peter. »Dung.«
»Verstehe«, meinte Rose. »Mein Vater wird sich freuen, das zu hören.«
»Wird er das«, sagte Peter Frye, »oder wird er nur wissen wollen, wie Sie an diese Information gekommen sind?«
»In dem Punkt, Sir, haben Sie allerdings recht«, räumte Rose ein. »Waren Sie bei Miss Landles, um sich die Zukunft voraussagen zu lassen?«
»Wohl kaum«, erwiderte Peter. »Sie ist meine Tante, um genau zu sein. Ich habe ihr ein paar kleine Luxusdinge gebracht, um ihr eine kleine Freude zu machen. Sie ist nicht allzu begütert, wissen Sie.«
Das Pferd stampfte und schüttelte ungeduldig den Kopf, aber Mr. Frye schien es nicht eilig zu haben. Rose trat einen halben Schritt näher.
»Glauben Sie, dass Ihre Tante geheimnisvolle Kräfte besitzt?«, fragte sie.
»Ich bezweifle nicht, dass sie es glaubt.«
»Das war nicht meine Frage«, sagte Rose.
Er starrte einen langen Augenblick auf die Schaumkronen, die gegen die Brückenpfeiler schlugen. Peter öffnete den Mund, schloss ihn wieder und erklärte dann mit einem Seufzer: »Ja, das glaube ich – doch ich nehme ihre Weissagungen nicht allzu ernst.«
»Warum nicht?«
»Weil sie zu viele Interpretationen zulassen.« Er sah wieder auf den Fluss. »Hat Tom es Ihnen erzählt?«
»Was erzählt?«
Er schüttelte den Kopf. »Ach, nichts.«
Auf einmal hatte Rose es gar nicht mehr eilig. »Was für ein Geheimnis teilen Sie mit Mr. Brodie, von dem ich nichts weiß? Betrifft es mich?«
»Sie?«, sagte Peter. »Nein, nein.«
»Haben Sie kürzlich mit Tom gesprochen?«
»Ich habe ihn gestern Abend im Junggesellen-Club getroffen.«
»Hat er mich erwähnt?«
»Nur auf eine ganz allgemeine Art«, antwortete Peter.
»Sind Sie nicht sein Freund? Genießen Sie nicht sein Vertrauen?«
»Nun, das will ich doch hoffen.«
»Dann sagen Sie mir, bin ich für ihn mehr als nur ein Zeitvertreib?«
»Das vermag ich wirklich nicht zu entscheiden. Ich meine ...«
»Was meinen Sie, Mr. Frye?«, hakte Rose nach. »Sie waren schließlich bei ihm, als er sich mir zum ersten Mal näherte. Waren Sie nicht der Reiter, der mit ihm in jener Oktobernacht davongaloppiert ist, nachdem Mr. Brodie zu meinem Fenster hochgeklettert war und mir so lästig wurde?«
»Ich muss gestehen – ja, das war ich.«
»Dann müssen Sie doch wissen, was in ihm vorgeht.«
»Niemand weiß, was in Tom Brodie vorgeht«, entgegnete Peter. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob Tom selbst es weiß. Hören Sie, Miss Hewitt, ich bin diese Unterhaltung allmählich leid. Es steht mir nicht zu, Ihre Freundschaft mit Tom Brodie zu erörtern.«
»Ist Mr. Brodie mich leid?«
»Wirklich, Miss Hewitt, ich muss jetzt ...«
»Ihr seid doch alle gleich, ihr Junggesellen«, sagte Rose. »Ihr sorgt euch nur um euch selbst. Wenn Sie Ihren Freund das nächste Mal treffen, dann richten Sie ihm doch bitte aus, dass ich keinen Wert mehr auf seine Aufmerksamkeiten lege. Ich habe einen Antrag von einem anderen Gentleman erhalten.«
»Welchem anderen Gentleman?«
»Einem Gentleman von weitaus höherem Ansehen, als Tom Brodie es genießt.«
»Wer ist denn dieser Musterknabe? Wie lautet sein Name?«
»Sein Name ist mein Geheimnis, Sir, bis wir unsere Verlobung bekannt geben«, sagte Rose. »Wenn Sie nun bitte die Güte hätten, Ihr Pferd zu bewegen, Sie sind nicht der Einzige, der Besorgungen zu erledigen hat.«
Peter lenkte das Pferd zur Seite, um die hochnäsige junge Frau vorbeizulassen, und sah stirnrunzelnd zu, wie Toms Liebchen den rutschigen Weg hinuntertrippelte und in dem Laden verschwand.
»Wissen Sie«, sagte Flora Fergusson, »ich denke, es ist gar nicht schlecht, dass wir beide die Gelegenheit haben, uns in aller Ruhe
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