Wiedersehen in den Highlands - Roman
des Vermögens, das mein Walter aufgebaut hat.«
»Ja«, sagte Eunice, »ich verstehe Ihre Zwangslage durchaus, Mrs. Fergusson, doch wie kann ich Ihnen helfen? Ich meine, ich kann Rose nicht befehlen, Ihren Sohn zu heiraten. Rose Hewitt ist eine sehr entschlossene junge Dame, die ihren eigenen Kopf hat. Wenn sie auch nur eine Sekunde glaubt, dass sie von mir oder ihrem Papa zu einer Heirat gedrängt wird, dann wird sie sich mit Händen und Füßen dagegen sträuben.«
»Genau die Art junge Dame, die uns – ich meine, Lucas – sehr recht wäre.«
»Ich bin sicher, Mr. Hewitt würde das ganz ähnlich sehen«, stimmte Eunice ihr zu. »Es wäre eine große Erleichterung für uns ... für ihn, Rose los zu sein. Ich meine natürlich, sie mit einem anständigen jungen Mann wie Ihrem Lucas verheiratet zu sehen.«
Flora Fergusson richtete sich wieder auf, auch wenn der Größenunterschied kaum auffiel. Sie klopfte mit den Händen auf den Tisch. »Gut!«, sagte sie. »Dann müssen wir die beiden jetzt nur noch zur Vernunft bringen.«
»Und was schlagen Sie vor, wie wir das anstellen sollen?«, fragte Eunice.
»Bringen wir sie zusammen, lassen wir sie allein ...«
»Und der Natur ihren Lauf, meinen Sie?«
»Genau«, antwortete Flora Fergusson und hielt ihre Tasse ohne Untertasse hin, um sich noch einen Schluck einschenken zu lassen.
Tassie Landles war im Garten und fütterte die Hühner, als Rose Hewitt sie fand. Tassie war nicht sehr erfreut darüber, die Tochter des Flachsfabrikanten zu sehen, und erst recht nicht darüber, dass das Mädchen unangekündigt bei ihr hereinschneite, denn sie hatte es nicht gern, wenn Fremde durch ihr kleines Haus stolzierten. Sie war eben erst ihren Neffen Peter losgeworden, der immerhin so freundlich gewesen war, ihr eine neue Flasche Brandy mitzubringen, sie aber etwas zu eingehend darüber ausgefragt hatte, in welcher Gestalt »die Geister« erschienen und auf welche Weise sie sie ansprachen. Wenn es etwas gab, was Tassie mehr hasste als einen Skeptiker, dann war es ein Konvertit, der die Geheimnisse des Todes und des Lebens im Jenseits schwarz auf weiß haben musste, festgeschrieben und eingeteilt wie Tabellen in einem Lehrbuch. »Rose Hewitt«, sagte Tassie. »Was verschafft mir das Vergnügen Ihres Besuchs?«
»Ich habe eine Frage«, begann das Mädchen.
Oh, aye, na bitte, dachte Tassie, noch eine, die in Tom Brodies schuldbeladenes Geheimnis eingeweiht wurde und gekommen ist, um mich mit Fragen zu bedrängen, die ich nicht beantworten kann.
Aber das Verhalten des Mädchens hatte sich verändert. Rose Hewitt war nicht mehr das verängstigte kleine Geschöpf, das vor ein paar Wochen wegen einer Weissagung hier erschienen war. Sie hatte jetzt ein stolzes Gehabe, das gebieterisch und schnippisch zugleich war, als hätte sie endlich ihre gehobene Stellung in der Weltenordnung erkannt und fühlte sich verpflichtet, sie sich zunutze zu machen.
Tassie streute eine letzte Hand voll Körner aus und schulterte den Korb, in dem sie das Futter aufbewahrte. »Und wie lautet nun Ihre Frage?«, seufzte sie.
»Die Weissagung, die Sie mir gegeben haben, die Prophezeiung, kann sie geändert werden?«
»Sie kann nicht geändert werden «, erklärte Tassie, »aber sie könnte sich von selbst ändern.«
»Sprechen Sie in Rätseln, weil Sie mir keine offene Antwort geben können?«
Tassie Landles ließ sich nicht gern von einem jungen Mädchen herausfordern, auch nicht von Rose Hewitt. »Ich spreche in Rätseln«, sagte sie, »weil die Zukunft ein Rätsel ist . Erst wenn die Zukunft zur Vergangenheit geworden ist und man auf sie zurückblickt, weiß man, ob man die Antwort gefunden hat, die man gesucht hat, ob jede kleine Entscheidung, die man während der Suche getroffen hat, die richtige oder die falsche war.«
»Das heißt«, erwiderte Rose, »das prächtige Haus, die Kinder, die Tränen – alles nur ausgedacht, um mich zu beschwichtigen?«
»Ich habe es mir nicht ausgedacht.«
»Woher ist es denn dann gekommen?«, sagte das Mädchen verächtlich. »Von der Katze?«
Wenn du nur bei mir sein könntest, wenn die Tür aufgeht, dachte Tassie, dann wärst du nicht mehr so freizügig mit deinem Spott. Wenn du auch nur einen Funken Verstand hättest, würdest du vielleicht begreifen, dass diese Welt und das Jenseits voller Schatten sind, die unser Schicksal verdunkeln, dass von einem Augenblick zum nächsten alles anders sein kann und dass die Zukunft uns immer überrumpeln wird. »Ich habe
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