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Wiedersehen in den Highlands - Roman

Wiedersehen in den Highlands - Roman

Titel: Wiedersehen in den Highlands - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Stirling
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Scheune aneinanderkauern. Betsy stapfte über den Hof; das Schultertuch hatte sie sich über den Kopf gezogen und den hübschen Schal, den Mr. Dingle ihr geschenkt hatte, in den Kragen gesteckt.
    Henry wartete auf sie, eine Laterne in der Hand. »Da bist du ja endlich!«, bemerkte er. »Ich wollte dich eben schon suchen gehen.« Er legte einen Arm um sie. »Ist bei deinem Vater alles gut gegangen?«
    »Gut genug. Ich habe ihm gesagt, Mr. Rankine hätte mich gehen lassen.«
    »Dann gehörst du jetzt uns, Betsy McBride?«
    »So ist es, Mr. Brodie, ich gehöre jetzt ganz Ihnen«, antwortete sie und folgte ihm ins Haus und ans Feuer.
    Drennan im Schnee war ein hübscher Anblick. Die kantigen Häuserdächer wirkten weicher, und die schiefen Ecken abgerundet. Selbst die Zecher am Spätnachmittag, allesamt alte Männer, die aus Caddy Crawfords Taverne torkelten, wurden ein wenig vom Zauber des Winters umfangen, einem Zauber, der sich bald in etlichen Frostbeulen und rissigen Händen auflösen würde.
    Rose konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal im Schnee draußen gewesen war. Im Winter hatte ihre Mutter sie immer dick eingepackt wie ein kostbares Ei. Später hatte ihr Vater eine Ausgangssperre verhängt, nicht um Rose vor nassen Füßen und geschwollenen Fingern zu schützen, sondern vor dem Verderben, das in Drennans Gassen lauerte, und vor den ruchlosen Verführern, die bei jedem Wetter durch die Straßen zogen, wie es schien.
    Aber Lucas Fergusson war kein Verführer. Lucas wusste nicht, wie man flirtete, geschweige denn verführte. Er hatte sich zwar einmal in die Lage gebracht, sie intim zu berühren, und sie seitdem ein- oder zweimal geküsst, doch Rose sah im Sohn des Viehzüchters keine Bedrohung. In seiner Gesellschaft fühlte sie sich so entspannt – und überlegen –, dass sie sich einige der kindlichen Vergnügungen gestattete, die ihre behütete Erziehung ihr vorenthalten hatte.
    Lucas und sie waren nicht die Einzigen, die Schneebälle auf das Denkmal in der Market Street schleuderten. Jeder kleine Junge in der Stadt und so manches Mädchen bewarf das alte Marktkreuz, und als dieser Zeitvertreib seinen Reiz verlor, lieferten sie sich gegenseitig Schneeballschlachten. Ehrenwerte Bürger huschten belustigt vorbei, bevor sie entdeckt und zu Zielscheiben erklärt werden konnten. Dorothy, die inzwischen von ihrer Beinahebegegnung mit dem Tod genesen war, tollte kreischend umher, wälzte sich im frischen Schnee und hielt immer wieder inne, um ihr Gesicht zu dem gleißenden Himmel zu recken und die süßen, kalten Schneeflocken auf ihrer Zunge zu schmecken. Niemand scherte sich darum, dass Rose die Tochter eines Flachsfabrikanten und Lucas der Sohn eines Viehzüchters war, als sie Rücken an Rücken wie Highland-Krieger dastanden und es mit allen neuen Wurftalenten aufnahmen. Waisenkinder und Dienstmädchen, Grabenbauer und Kuhhirten, Schuljungen und Mädchen, die so klein waren, dass sie gerade einmal ein Weihwasserbecken schrubben oder mit einem Wassereimer kämpfen konnten, waren vereint im Kampf, bis der Schnee zu dicht und die Kälte zu streng wurde, um sie auszuhalten, und sie alle nach Hause schlitterten.
    »Seht euch nur an«, sagte Mrs. Prole, »wie zwei Eisbären schaut ihr aus. Schüttelt eure Mäntel aus, bevor ihr ... Ach, nein, kommt herein, kommt herein und lasst mich die Tür schließen, bevor der Teppich ruiniert wird. Lucas Fergusson, was denken Sie sich eigentlich?«
    Wenn die Haushälterin gewusst hätte, was in Lucas’ Kopf vor sich ging, dann wäre ihre Begrüßung gewiss weniger begeistert ausgefallen. Lucas dachte, noch nie jemanden oder etwas so Schönes wie Miss Rose Hewitt gesehen zu haben, mit ihren geröteten Wangen und den glänzenden Augen und einer kleinen Schneeflocke, die noch immer an ihrer Unterlippe haftete.
    »Lucas?«, fauchte Eunice Prole. »Haben Sie mich gehört?«
    »Hä?« Er blinzelte und wischte sich etwas Schnee von den Wimpern. »Aye, Mrs. Prole.«
    »Rose, wo sind die Heringe, die zu kaufen ich dich geschickt habe?«
    »Es gab keine«, sagte Rose. »Es waren nirgends welche zu bekommen.«
    Die Haushälterin hatte die Hände in die Hüften gestemmt, aber sie schalt Rose nicht. Sie streckte eine Hand aus, um dem Mädchen den Mantel abzunehmen, und hängte ihn an den Haken. »Nun ja«, meinte sie, »ich kann nicht behaupten, dass mich das wundert. Die Boote werden im Hafen von Ayr Schutz gesucht haben und alle Fische, die es auf dem Markt gab, längst

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