Wiedersehen in den Highlands - Roman
anderen Mann aufgefordert werden, um einem schönen Mädchen den Hof zu machen.«
»Aber Hewitts Tochter?«, fragte Henry noch einmal. »Warst du betrunken?«
»Nüchtern«, antwortete Tom. »Stocknüchtern.«
»Großer Gott, Mann, du spielst mit dem Feuer!«
»Und wenn es so wäre?« Tom erhob sich. »Hewitt will uns loswerden, egal, was passiert. Wenn ich seiner Tochter den Hof mache, kann es auch nicht mehr viel schlimmer für uns werden. Außerdem sind meine Absichten ehrenhaft.«
»Ehrenhaft?«, wiederholte Henry. »Du weißt doch gar nicht, was dieses Wort bedeutet.«
»Ich habe die Absicht, Rose Hewitt zu heiraten«, sagte Tom, »wenn sie mich nimmt.«
»Was?!« Henry sprang auf. »Das wird sich Hewitt niemals gefallen lassen.«
»Er wird keine andere Wahl haben, als es sich gefallen zu lassen.«
»Sag mir nicht, dass sie deinen Balg erwartet.«
»Noch nicht«, antwortete Tom, »noch nicht.« Und dann reichte er seinem Bruder die Pfeife und ging mit raschen Schritten zurück ins Haus.
Kaum etwas im Leben bereitete Walter Fergusson mehr Freude, als zuzusehen, wie Kälber gefüttert wurden. So geizig er bei seinen Geschäften mit den Viehhändlern auch war, wenn es um die Hege und Pflege seiner Herde ging, ließ er sich nicht lumpen. Er scheute keine Mühe, um sicherzustellen, dass die gewohnten Fütterungsabläufe eingehalten und die Milchbehälter auf Körpertemperatur angewärmt wurden. Er band die kleinen Tiere nicht in lichtlosen Schuppen an oder gab ihnen künstliches Futter, und er achtete bis ins kleinste Detail auf den Entwöhnungsprozess; eine Hand voll süßes Heu und ein halber Liter Heu-Tee, verrührt mit der Milch oder, am besten, einem Klacks Leinsamengelee, bildeten stets einen sanften Übergang, um sie an Roggengras und Roten Klee zu gewöhnen. Nicht weniger Aufmerksamkeit widmete er seinen »eingekauften« Tieren, und er verstand es, durch umsichtiges Wirtschaften einen hübschen Batzen Geld mit seinen Käufen zu machen.
All seine Gewinne flossen zurück in Verbesserungen seiner Herde, und seine Ställe, Scheunen und Milchschuppen, so hieß es, waren sauberer und gemütlicher als das Haus, das er mit seiner Frau Flora und seinem Sohn bewohnte, denn das Farmhaus am Rande von Drennan war kaum mehr als eine Hütte mit einem durchhängenden Dach, abblätternden Wänden und einem verräucherten Kamin.
Mr. Fergussons Sohn Lucas war ebenfalls keiner Erwähnung wert.
Für einen Mann, der sein ganzes Leben der Zucht gewidmet hatte, war Walter Fergusson kläglich dabei gescheitert, selbst einen Sieger hervorzubringen. Ein Kind nur hatte Fergussons »Stute« geworfen, danach war die Dame unfruchtbar geworden, ein Zustand, gegen den selbst noch so viele Pillen und Pülverchen nichts hatten ausrichten können. Folglich musste sich Fergusson mit einem einzigen Erben begnügen, einem Burschen, der wahrlich kein Musterbeispiel an strammer, jugendlicher Männlichkeit war, sondern die meiste Zeit ein wahrer Mühlstein am Hals.
»Luuu-cas«, riefen die Milchmädchen, wenn sie den alten Mann außer Hörweite glaubten. »Ach, Luuu-cas, schenk uns einen Kuss! Sieh nur, die kleine Jenny hier hat ihre Brüste für dich entblößt, damit du mit ihnen spielen kannst. Wohin bist du verschwunden, Luuu-cas? Bist du wieder zu deinem Daddy petzen gelaufen?«
Vier Jahre Schulbesuch hatten dem jungen Fergusson nicht viel beibringen können. Wilde Zechereien mit Stallburschen hatten ihn nicht abhärten können. Die Hänseleien der derben Mädchen, die sein Vater beschäftigte, ließen ihn nicht seine sexuellen Fähigkeiten erkennen, sondern trieben ihm nur Tränen in die Augen. Er schluchzte ständig, Fergussons Junge. Er schluchzte, wenn er auf das erste Schneeglöckchen stieß, während er unter einer Hecke kauerte. Er schluchzte, wenn eine Taube vom Dach fiel oder einer der Hunde mit einem Kaninchen im Maul nach Hause kam. Er schluchzte, wenn sein Vater tobte oder seine Mutter schimpfte, und am allermeisten schluchzte er, wenn die Milchrechnung nicht aufging und er die Handschuhe abstreifen und mit den Fingern zählen sollte, als änderte ein Stück Wolle etwas an seiner fehlerhaften Arithmetik.
Lucas war zwölf Jahre alt gewesen, als er gelernt hatte, eine Färse von einem Bullen zu unterscheiden, und diese Erfahrung hatte er mit drei gebrochenen Rippen und einer geschwollenen Kniescheibe teuer bezahlt. Mit vierzehn war er durch die weiche Kruste des Misthaufens eingebrochen, als er ein Entenküken zu
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