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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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Augenblick tatsächlich abprallte. Dann wurden meine Beine taub, schienen fast zu verschwinden, und ich wäre beinahe ohnmächtig geworden.
    Das Wasser rings um mich war eiskalt und schwarz wie Tinte. Ich schlug wie wild um mich und fragte mich zugleich, ob ich mir etwas gebrochen hatte, kam jedoch zu dem Schluss, dass dies wahrscheinlich nicht der Fall war, sonst könnte ich keine Schwimmbewegungen machen. Aber ich konnte nicht atmen. Als es wieder ging, wurde alles ein wenig klarer.
    Der Reisekoffer schaukelte vor mir auf der Wasseroberfläche. Die Schnalle war beim Aufprall aufgesprungen. Ich spürte eine Hand über meinen Arm streichen. Ich ergriff sie blindlings und zog fest daran.
    »Perry!«
    Gobis Stimme wehte von irgendwo weit weg heran. Es kam mir nicht in den Sinn, mich darüber zu wundern, wiesosie so weit weg sein konnte, wenn ich doch ihre Hand hielt.
    Ich zog noch fester an ihrem Arm, klammerte mich mit beiden Händen daran fest, und genau in diesem Augenblick trieb die Leiche eines Mannes aus dem Koffer heraus und direkt auf mich zu. Er war schon älter, glatzköpfig, schwarz angezogen, mit einem weißen Priesterkragen, der sich gelöst hatte, als er ins Wasser gestürzt war, und jetzt an einer Seite schräg wegstand. Die Lippen des Mannes standen staunend offen, das Kanalwasser schwappte in den Mund und wieder heraus, und dann sah ich, wie seine Augen aufklappten und er mich direkt anschaute.
    »Scheiße!« Das wollte ich jedenfalls sagen – jedenfalls dachte ich genau das, aber wahrscheinlich kam nicht mehr heraus als ein ersticktes: » Aiiiggghhghh! « Ich stieß mich von ihm ab und ruderte mit den Armen im Wasser herum. » O Scheiße, Scheiße! «, versuchte ich zu sagen, aber diesmal kam nur ein Schwall Bläschen aus meinem Mund. Blubb-blibb-bripp.
    » Perry! «
    Jetzt hörte sich Gobi besorgt an. Von oben knatterten Pistolenschüsse – eine Folge stumpfer Knalllaute, als ließe jemand ein Stück überaus tödliche Verpackungsknallfolie platzen. Rings um mich traf es wie Hagel aufs Wasser und spritzte rings um mich her in kleinen Fontänen auf. Als ich nach oben schaute, sah ich zwei Männer auf dem Balkon stehen. Orangegelbes Mündungsfeuer umzuckte sie.
    Ich streckte die Arme aus und ruderte hektisch in die Richtung von Gobis Stimme und dann auf die steinerne Brücke nicht weit vor mir zu. Zumindest war es darunterdunkel. Ich holte tief Luft, tauchte weg und strampelte so fest wie ich konnte mit den Beinen.
    Plötzlich war der gewölbte Raum unter der Brücke vom Röhren eines Dieselmotors erfüllt, sowohl über als auch unter Wasser. Ich tauchte auf und sah eines der flachen Vaporettos direkt auf mich zuhalten. Es war zu schnell, um darunter wegzutauchen. Ich schlug gegen den Bug und versuchte mich davon wegzustoßen, da spürte ich, wie mich etwas am Kragen des Bademantels packte, aus dem Wasser zog und aufs Deck fallen ließ. Und dann fiel ein Bündel trockenen Stoffes über meinen Kopf.
    Gobis Augen blitzten mich wie ein Paar unerschwinglich teurer Ohrringe im dunklen Fenster eines Juwelierladens an.
    »Nicht bewegen.«
    »Du …«
    »Klappe!«
    » … hast einen …«
    »Bist du taub?«
    » … Priester erschossen? «
    Gobi schlug mir die Hand vor den Mund. Erst jetzt erkannte ich, dass sie mir einen Trenchcoat über den triefend nassen Bademantel geworfen hatte.
    »Runter mit dem Kopf.«
    »Du bist verrückt.«
    Sie widersprach mir nicht. Ich fragte mich, woher sie den trockenen Trenchcoat hatte, beschloss aber, nicht erst zu fragen – wahrscheinlich lag irgendwo auf dem Boot ein bewusstloser Tourist oder Schlimmeres. Das Vaporetto kroch weiter, spuckte Dieselabgase aus, und seine Motoren röhrten hinter uns auf, als es sich weiter auf die nächste Haltestellezuschob. Als es anlegte, hörte ich bereits die zweitönigen europäischen Sirenen durch den Kanal heranhallen, und die blauen Lichter eines Polizeiboots blinkten vor uns in die entgegengesetzte Richtung. Mit einem Mal erwachte die Nacht rings um uns.
    »Hier müssen wir raus.« Sie legte den Arm um mich, zog mich hoch und führte mich wie einen Betrunkenen auf die schwimmende Plattform des Anlegers.
    »Lass gut sein, ich bin erledigt.«
    »Idiot.« Niemand konnte so wütend sein wie sie. Man könnte meinen, sie hätte die Wut erfunden. Sie beugte sich leicht zur Seite, spannte das rechte Bein an und ließ dabei die rechte Hand nach hinten gleiten, und als sie wieder nach oben kam, sah ich das Messer, fast fünfzehn Zentimeter

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