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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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mit offenem Mund und wild züngelnder Zunge, während sich ihre Hände in den Bademantel schoben. Ich schmeckte den trockenen, fruchtigen Geschmack von Champagner und noch etwas beinahe Bitteres wie dunkle Espresso-Bohnen oder Lakritz. Von draußen hörte ich Musik und leises Lachenvom Kanal her. Ich wich zurück und schnappte nach Luft.
    »Sie heißt Paula«, sagte ich. »Sie ist echt cool. Sie würde dir gefallen.«
    Ein rauchiges Kichern, dann murmelte sie etwas auf Litauisch.
    »Was?«
    »Ich habe dich einen Hornochsen genannt.«
    »Warum?«
    »So nennt man einen Mann, der ein Mädchen in seinem Bett hat und immer noch Small Talk macht.«
    »Wir sind überhaupt nicht im B-«
    Sie drückte die Handflächen gegen meine Brust und schob mich rückwärts auf die Matratze, schlug die Kopfkissen zur Seite, schob mich über die Decken, bis ich gegen das Kopfteil stieß. Dann setzte sie sich rittlings auf mich.
    »Alles klar, hör mal, das ist nicht cool.« Je entschiedener ich aufstehen wollte, desto energischer drückte sie dagegen. »Ich kann mich nicht erinnern, dass du damals so –« Ich suchte nach einem anderen Wort für aggressiv, aber mit einem Mal schien meine Wortfindefähigkeit einen ernsten Schlag in die Zentrale oder was auch immer bekommen zu haben. Wie nebenbei bemerkte ich einen Louis-Vuitton-Reisekoffer in der Zimmerecke, der aussah, als hätte er eine Million Dollar gekostet, dann rutschte Gobi ein Stück mit ihren Hüften auf mir weiter, und ich vergaß den Reisekoffer und die Million Dollar, die er gekostet haben mochte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie.
    »Mir geht’s gut …?« Meine Stimme hob sich am Ende und hörte sich an wie einer von den Chipmunks. Ich stützte mich auf und versuchte mich zu befreien, aber ihre Kniehielten den Bademantel fest auf der Matratze. »Ich habe unter diesem Ding … ähm, nichts weiter an?«
    »Perry.«
    »Was?«
    »Ich brauche deine Hilfe.«
    Ich sah ihr in die Augen. »Du brauchst mich? «
    »Das ist kein Witz.«
    »Klar doch«, sagte ich. »Was soll ich machen?«
    Dann fing der Louis-Vuitton-Koffer an, sich zu bewegen.

9
    »Run (I’m a Natural Disaster)«
    – Gnarls Barkley
    Ich setzte mich rasch auf und schaute mich so ruckartig um, dass ich es im Genick knacken hörte.
    »Warte –« Ich starrte wieder den Reisekoffer an, in dem eindeutig etwas herumpolterte. »Steckt da jemand drin?«
    Gobi seufzte, stieg von mir herunter und schob sich in einer eleganten Bewegung vom Bett. Mit der schicksalsergebenen Haltung einer Frau, die eine lästige aber notwendige Aufgabe zu erledigen hat, zog sie die Schublade des Nachttischs neben dem Bett auf, holte daraus eine Pistole hervor, schraubte den Schalldämpfer auf den Lauf und ging zu dem Koffer hinüber.
    »Warte! Was hast du vor? Was machst du da?«
    Gobi zielte mit der Pistole auf den Reisekoffer und drückte ab. Die gedämpften Schüsse waren nicht besonders laut – wie drei metallische Kronkorken –, und was auch immer dort in dem Koffer war, stieß ein schauderhaftes Heulen aus und brach mit einem dumpfen Schlag zusammen. In meiner Erstarrung nahm ich den Rauch wahr, der aus den Einschusslöchern im Koffer austrat und wie geisterhafte Ringelschwänzchen zu den geschmackvoll indirekten Lichtquellen emporschwebte. Ich taumelte aus dem Bett und quer durch das Zimmer zu meinem nassen Kleiderhaufen; der Bademantel flatterte um mich, als ich rückwärts zur Tür wankte. Hinter mir ertönte Gobis Stimme, leise und sehr ernst.
    »Perry.«
    »Was?«
    »Ich hab dir doch gesagt, dass ich deine Hilfe brauche.«
    »Ja, schon, aber bei Leichen hört für mich der Spaß echt auf.«
    Im nächsten Augenblick hämmerte es laut von außen gegen die Tür.

10
    »Police and Thieves«
    – The Clash
    »Wer ist das?« Ich stand in der Ecke neben der Tür und versuchte mir die Jeans wieder anzuziehen, aber sie waren zu nass, und ich kriegte nicht mal einen Fuß durch das Hosenbein. Schließlich gab ich auf und band mir den Bademantel fest um die Hüfte, wobei mir nur allzu bewusst war, dass ich darunter völlig nackt war. »Was zum Teufel geht hier vor sich?«
    »Hier lang.« Sie zog den Koffer mit einer Hand von der Wand weg, in der anderen hielt sie die Pistole. »Komm schon.«
    »Da ist ein Mensch drin!«
    »War. Ja. Jetzt ist es eine Leiche.«
    »Nein. Nein … ich gehe auf keinen Fall …«
    Bamm-bamm-bamm! Schwere, energische Fäuste hämmerten noch lauter an die Tür der Suite und ließen die Luft rings um uns

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