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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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gebrauchen können …« Ich unterbrach mich, hustete ordentlich, schaute auf meine Hand und sah kleine rote Spritzer auf den Knöcheln. »Allerdings ungefähr zwanzig Sekunden früher.«
    »Jetzt bin ich ja hier.« Sie streckte mir eine Hand entgegen. Ich ergriff sie und zog mich hoch. Noch ehe ich das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, beugte sie sich vor, fing mich in ihren Armen auf, und ich sah die kleine weiße Narbe quer über ihren Hals, und dann kam mit einem Mal auch alles andere wieder zurück.

8
    »Never Let Me Down Again«
    – Depeche Mode
    Wir gingen über eine dunkle Brücke zum Centurion Palace Hotel. Es war ein elegantes Stück Los-Angeles-Architektur, das auf der anderen Seite des Kanals allem Anschein nach in einen fünfhundert Jahre alten Palast hineingebaut war. Um zum Eingang zu gelangen, mussten wir einen weitläufigen Hof durchqueren, dessen perfekt ovale Steine unter unseren Sohlen knirschten. Gobi führte mich in eine überkuppelte Lobby mit einem Kronleuchter aus gebogenen Glasröhren und langen Sofas, die geschmackvoll auf dem Marmorfußboden verteilt waren. Hinter dem Empfang sah ich zwei androgyne hochwangige Gesichter, die uns regungslos durch eine flüssige Wolke aus blauem Licht ansahen.
    »Fahrstuhl ist dort drüben«, sagte Gobi. »Komm mit.«
    Ich betrat die Kabine aus gebürstetem Chrom und spürte, wie er sich geschmeidig nach oben bewegte und uns zu irgendeinem höhergelegenen Stockwerk brachte. Oben angekommen, schob mich Gobi durch den stillen Flur vor sich her. Sie zückte ihre Keycard, und wir betraten ihre Suite, eine Folge aus Zimmern, die fließend ineinander übergingen, bis sich der letzte Raum zu einem Balkon über dem Kanal öffnete. Ich sah eine Flasche Champagner auf Eis vor einem Flachbildfernseher, auf der Anrichte lagen ihr BlackBerry, Schmuck, ein Haufen Euros und andere ausländische Münzen, ihr Pass und Lippenstift.
    »Zieh deine Klamotten aus.«
    »Was?«
    »Du frierst noch zu Tode.«
    »Hör mal, ich muss dir was sagen.« Ich schaffte es, die Windjacke auszuziehen, wobei ich einen Ärmel auf links drehte, als ich den Arm daraus befreite, dann fing ich an, meine Hose aufzuknöpfen. »Könntest du dich vielleicht umdrehen?«
    Sie hob eine Augenbraue und drehte sich dann zur Wand. Ich schälte mir die Jeans von den Beinen, dann die Socken und schließlich mein T-Shirt. »Ich bin mit jemandem zusammen. Drüben in den Staaten.«
    Gobi sagte nichts, sondern zeigte einfach in die andere Richtung. »Zur Dusche dort entlang.«
    Das Bad war eine grüne Marmorgrotte. Aus einem mannshohen Spiegel sah mich mein Spiegelbild an, ein dürrer, blasser amerikanischer Junge mit einem Gesicht, das wie zwei Pfund Schinkenwurst aussah. Ich befreite mich von meinen Boxer-Shorts und betrat zähneklappernd die Dusche. Ich brauchte einen Moment, um mich mit den Wasserhähnen zurechtzufinden, aber kurz darauf belohnte mich der Duschkopf mit einem Massagestrahl heißer Nadeln, bei der meinem Körper wieder bewusst wurde, dass er trotz allem noch am Leben war. Vielleicht war alles ja gar nicht so schlimm wie ich dachte. Ich atmete den Dampf ein, schrubbte mich zweimal von oben bis unten ab und blieb dann einfach stehen, bis das heiße Wasser allmählich kalt wurde. Nach einer gefühlt ziemlich langen Zeit verließ ich die Dusche und sah, dass an der Innenseite der Tür ein flauschiger Hotelbademantel auf mich wartete. Allmählich fühlte ich mich wieder wie ein Mensch.
    »Echt schick hier«, sagte ich, als ich aus dem Dampf heraustrat. »Wie kannst du dir so was leisten?« Keine Antwort. »Gobi?«
    In einem der Spiegel war eine leise Bewegung zu sehen. »Ich bin hier drüben.«
    »Ich – oha.«
    Als sie hinter der Schranktür hervorkam, sah ich, dass sie ihre Lederjacke ausgezogen hatte. Das Top darunter war schwarz und mit Spitzen besetzt, die dünnen Träger spannten über ihren Schlüsselbeinen.
    »Was guckst du so?«
    »Nur … nur auf deine Schlüsselbeine. Die sind echt schön.«
    »Wie hast du’s mit Reißverschlüssen?«
    »Wie bitte?«
    Sie drehte sich um, senkte den Kopf und hielt die Haare im Nacken in die Höhe. »Er steckt fest.«
    »Ich hab dir doch gesagt, dass ich eine Freundin habe, oder?«
    »Ich hab dich nur um einen Gefallen gebeten.«
    »Stimmt.« Der Reißverschluss glitt geschmeidig nach unten. »Willst du überhaupt nicht wissen, was ich hier in Venedig mache?«
    »Nein.«
    »Ich bin auf Tour, mit Inchworm, und –«
    Sie drehte sich um und küsste mich,

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