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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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unsere Ankunft bereits bemerkt, und ich fragte mich, ohne direkt hinzustarren, wer von ihnen wohl der falsche Priester war, welcher von ihnen diese Kneipe nicht mehr lebend verlassen würde. Ich verspürte den irrationalen Drang, ihnen zuzurufen: Warum seid ihr eigentlich nicht in der Kirche?
    Aus dem Augenwinkel sah ich eine kurze Bewegung.
    Hinter der Bar langte eine Frau nach unten und zog eine längliche Pappschachtel hervor, die an eine Verpackung für langstielige Rosen erinnerte. Sie legte die Schachtel mit einem dumpfen, aber irgendwie auch sehr lauten Geräusch auf den Tresen.
    Gobi nahm die Schachtel, wog sie in den Händen und nickte. Ich sah, wie sie plötzlich eine Plastiktüte mit sorgfältig gebündelten Euros in der Hand hielt, die sie über den Tresen schob. Die Frau auf der anderen Seite ließ sie so rasch verschwinden, dass man glauben konnte, sie habe nie dort gelegen. Die ganze Transaktion dauerte keine drei Sekunden. Mir schlug mein Herz bis zum Hals, und ich war ziemlich sicher, dass ich es in drei Schritten bis zu Tür schaffen konnte.
    In diesem Augenblick kam die Polizei herein.

14
    »The World Has Turned and Left Me Here«
    – Weezer
    Es muss reines Glück gewesen sein. Kaum hatten die Bullen mit ihren dunkelblauen Uniformen und Baretts die Kneipe lachend und plaudernd betreten, wusste ich, dass sie keineswegs uns auf der Spur waren. Es waren nicht die Polizisten aus dem Hotel, und ihr entspanntes, lässiges Geplänkel verriet mir, dass sie einfach nur auf Streife waren und rein zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort auftauchten.
    Wie gesagt, der reine Zufall – absolutes Pech.
    Sie blieben stehen und sahen uns an, und ich wusste, dass bereits ein offizieller Bericht über die Vorfälle im Hotel inklusive unserer Beschreibung die Runde gemacht hatte. Eine Frau, bewaffnet und gefährlich, schwarz gekleidet; ein junger Mann, verängstigt und nass, in einem Frotteebademantel.
    »Hören Sie«, sagte ich und hob die Hände. »Ich habe nichts damit zu tun. Ich gehe einfach nur raus, ja?«
    Ein Stück hinter mir klappte Gobi die Schachtel auf, die ihr die Frau hinter der Bar gegeben hatte, nahm eine abgesägte Schrotflinte heraus und richtete sie ohne zu zögern auf die Polizisten.
    Beim Anblick der Flinte gingen die beiden Bullen – Carabinieri hatte sie sie genannt, ganz normale Streifenpolizisten – sofort in Verteidigungshaltung und griffen nach ihrenPistolenhalftern, während Gobi eine Patrone in den Lauf schob und mir diesen direkt unter das Kinn klemmte.
    »Was machst du?«, murmelte ich.
    Die Bullen schrien beide gleichzeitig auf uns ein. Ihre Stimmen dröhnten in dem engen Raum der Trattoria dumpf und respekteinflößend. Gobi gab ihnen keine Antwort. Sie hielt den Lauf dort, wo er war, auf meinen Kopf gerichtet, in dem zwölf Jahre Schulausbildung darauf warteten, sich in einen Klecks Deckenfarbe zu verwandeln. Ihr Blick blieb auf die beiden Beamten gerichtet, die vor der Eingangstür standen. Von links und rechts starrten die Priester ungerührt mit ihren Eulenaugen zu uns herüber. Jemand Bedarf nach Sterbesakramenten?
    » Via «, sagte Gobi, und es hörte sich wie perfektes Italienisch an. Sie ließ den Blick nicht von den Polizisten. » Via o questo muore .«
    Die Carabinieri sahen sie an. Ihre Mienen veränderten sich, und mit einem Mal wich aller Mut und alles Adrenalin aus ihren Wangen. Langsam, ganz langsam ließen sie die Pistolen sinken und wichen von der Tür zurück.
    »Was hast du ihnen gesagt?«
    »Ich hab gesagt, wenn sie eine falsche Bewegung machen, bringe ich dich um.«
    »Mehr nicht? Sie sahen richtig erschrocken aus.«
    »Sie haben gesehen, dass ich es auch so meine.«
    Gobi stieß mich durch die Tür. Dann drehte sie sich um, lehnte sich mit dem Rücken an eine der Steinsäulen neben dem Eingang, winkelte die Beine an und kippte den Zigarettenautomaten mit den Füßen so um, dass er laut krachend direkt vor die Tür fiel. Dann stieß sie mich voran, und wir überquerten wieder eiligen Schrittes die Piazza,wobei meine nackten Füße wie taub über das Pflaster stolperten.
    »Wo wohnst du?«, fragte sie.
    »Was?«
    »Wo ist dein Hotel?«
    » Mein Hotel? Du willst doch nicht –«
    »In meine Bude können wir nicht wieder zurück, oder?«
    »Ich habe keine –« Ich schüttelte den Kopf, als müsste ich ein paar durcheinandergeratene Gedanken-Legos wieder miteinander in Kontakt bringen. »Ich weiß es nicht mehr.«
    »Wir müssen eine Weile verschwinden.

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