Wiedersehen in Kairo
war er total blau. Er sagte, er gehe jetzt mit seinem Freund Angelo nach Hause. Ich habe nur keinen gesehen, verstehst du?«
Willi nickte besorgt. »Klar. Weihnachten drehen ja manche durch. Armer Kerl.«
Dieter kam mit seiner leeren Tasse und stelle sie auf den Tresen. »Ich gehe jetzt, Jan. Ach noch etwas.« Er kramte umständlich in seiner Hosentasche und legte eine Münze auf den Tresen. »Die hat mir Angelo geschenkt. Ich habe sie einem Fachmann gezeigt. Stellt euch vor, sie wurde sechshundert vor Christus in Lydien geprägt, eine Rarität. Damals gab es nämlich noch kein geprägtes Geld, König Kroisos hatte – was ist denn? Was guckt ihr so? Ach, von Geschichte habt ihr beiden doch keine Ahnung.« Dieter umschloss die Münze mit seiner Faust. »Die ist tausend Euro wert, aber ich verkaufe sie nicht. Niemals.«
Schlagzeilen
Herr Berger aus Hamburg war mit seinem Leben zufrieden. Er besaß ein piekfeines Modegeschäft am Jungfernstieg mit erlesener Kundschaft. Kein Dessous war unter 300 Euro zu haben. Von dem Ertrag konnte er sich eine anspruchsvolle Frau leisten, eine Jugendstilvilla in Klein-Flottbek und etliche schicke Wagen. So richtig zufrieden war Herr Berger natürlich nicht. Die Verantwortung, der Stress, man kennt das ja. Aber am meisten ärgerte ihn Otto Krause.
Otto Krause war der Mann, der in Bergers gepflegter Passage in ungepflegten Sachen eine Obdachlosenzeitung verkaufte. Natürlich wusste Herr Berger nicht, dass der Mann Otto Krause hieß. Er wusste eigentlich gar nichts über ihn, und er wollte von solchen Elementen auch nichts wissen. Weshalb stand dieser Landstreicher mit seinem Pennerblättchen nicht am Mümmelmannsberg? Hinz Kunzt, das hörte sich geradeso an wie Krethi und Plethi. Nein, das war kein Aushängeschild für seine Armanis, Versaces und Lacostes.
Herr Berger hatte den Zeitungsverkäufer schon ein paar Mal im Guten, wie er es nannte, aufgefordert, sich einen anderen Platz zu suchen, leider war der Kerl beharrlich geblieben.
Es war ein nasskalter Tag Anfang November. Lotti, Bergers bildhübsche Verkäuferin, kümmerte sich gerade um eine Kundin. Herr Berger spähte hinaus in das unfreundliche Grau und rieb sich die Hände. Jetzt musste das Weihnachtsgeschäft bald anlaufen.
Seine Vorfreude wurde jäh gedämpft, denn da kam Krause mit der Novemberausgabe, Punkt zehn wie immer. Heute trug er einen langen, abgetragenen Wintermantel, den Kragen hatte er hochgeschlagen, nur sein krautiger Bart schaute heraus. Er entnahm seiner Umhängetasche einige Exemplare und machte es sich im Schein der Glasvitrinen bequem.
Berger sah seine Weihnachtskunden bereits einen weiten Umweg machen und da einkaufen, wo keine Obdachlosen die Vitrinen verschandelten. Diese Gefahr musste er im Keim ersticken. Mit entschlossenen Schritten ging er zur Tür, riss sie auf und wollte gerade eine angemessene Rede an Krause halten, als er stutzte und sich die Augen rieb. Auf der Zeitung, die Krause den Passanten entgegenhielt, fiel ihm eine Überschrift in die Augen: Rotes Ferrari-Sportcoupé aus Parkhaus in der Innenstadt entwendet. Verdammt! Seine Frau Hannelore fuhr so einen Wagen. Hastig riss er Krause ein Exemplar aus der Hand und drückte ihm fünf Euro in selbige. Dann setzte er sich hinter den Ladentisch und las: Die Frau des bekannten Modezaren Berger erstattete heute Anzeige wegen Diebstahls. Ihr Ferrari war aus einem Parkhaus – Schluss! Er hatte genug gelesen. Nervös ließ Berger die Zeitung fallen und wählte die Nummer seiner Frau, aber sie war nicht zu Hause, und ihr Handy war abgestellt. Das Polizeirevier! Vielleicht stand in der Zeitung, bei welchem Revier sie Anzeige erstattet hatte. Berger nahm sich noch einmal die Zeitung, aber er konnte den Artikel nicht wiederfinden. An nämlicher Stelle las er stattdessen: Suppenküche in Ottensen eröffnet. Endlich ist es der Bürgerinitiative in Ottensen gelungen, blah, blah …
Berger rieb sich die Augen. Wo war der gottverdammte Artikel mit dem Ferrari geblieben? Er war weg, als hätte es ihn nie gegeben. Berger rannte hinaus, riss Krause ein weiteres Exemplar aus der Hand, weitere 5 Euro wechselten den Besitzer. Noch im Stehen überflog er die erste Seite. Nichts von einem Ferrari, dafür einiges über die verdammte Suppenküche.
»Sagen Sie mal«, sagte Berger zu Krause, »wo ist denn der Artikel über den Ferrari geblieben?«
Krause blinzelte. »Mein Herr, ich verkaufe die Zeitung nur, ich drucke sie nicht.«
»Aber der Artikel war
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