Wiedersehen in Kairo
»Gut, dass du mich erinnerst. Die Batterien in meinem Dildo sind leer. Weißt du, wo man um diese Zeit noch Batterien bekommt? Diese starken, langlebigen Dinger, na du weißt schon.«
Willi wurde prompt rot. »Äh – du meinst …«
»Ja, für die machen sie doch im Fernsehen Reklame. Ich bin aber auch ein Vergesslicher! Immer auf den letzten Drücker – ah, da kommt mein Milchkaffee.« Dieter strahlte Willi an. »Was wäre ein Weihnachtsfest ohne Dildo? Gleich morgen werde ich …«
Willi räusperte sich, erhob sich und sagte zu Jan: »Du, ich muss dich mal wegen der Heizanlage sprechen.«
Dieter sah ihm nach, rümpfte die Nase, griff sich die Zeitschrift ›Mannsbilder‹ und las zum dritten Mal die Geschichte von Klaus, dem mutigen schwulen Bäckergehilfen, der ein kleines Mädchen aus dem Wasser gezogen hatte – Dieter seufzte und las weiter: Katholisch und schwul – na und? Schwule wehren sich – werden die Skinheads jetzt zu Opfern? Ein schwuler Männerchor sucht noch Mitglieder, eine schwule Fußballelf sucht noch Stürmer … »Suche ich auch«, murmelte Dieter.
Morgen ist Weihnachten, und du bist wieder allein.
Er überflog die Kontaktanzeigen: »Suche niedlichen Weihnachtsengel zum gemeinsamen Kerzenanzünden.«
»Fessele mich an den Weihnachtsbaum! Bin unterwürfig, keine Tabus. Mag Lebkuchen.«
Ich auch
, dachte Dieter.
Morgen ist Weihnachten.
»Weihnachten allein? Das muss nicht sein. Komme ins Haus – als Knecht Ruprecht oder als Christkind.«
Dieter schloss die Augen. Komme ins Haus …
Als er sie wieder öffnete, stand ein junger Mann vor ihm. Halblanges, blondes Haar, Augen so blau wie ein Frühlingshimmel, bekleidet mit Jeans und einem dunkelblauen Pulli. »Darf ich mich zu dir setzen?«
Dieter blinzelte. Das Café war fast leer, und dieser hübsche Junge – Dieter machte eine graziöse Handbewegung. »Mein Freund scheint sich zu verspäten, also – warum nicht?«
»Ich hoffe, er ist nicht eifersüchtig.« Der junge Mann lächelte. »Ich bin Angelo. Ich sitze nicht gern allein herum, mag mich gern unterhalten.«
»Ich auch, oh ich auch.« Und das mit mir, dachte Dieter, ich bin ja ein richtiger Glückspilz. Wahrscheinlich ist ihm kurz vor dem Fest sein Freund weggelaufen. Auch den Jungen und Schönen kann das passieren. »Ich heiße Dieter. Bist du zum ersten Mal im Knossos? Ich kenne sonst jeden, der hierher kommt.«
»Das ist richtig. Ich bin nicht von hier.«
»Möchtest du was trinken?«
»Ein Glühwein wäre gut. Es ist so kalt draußen.«
»Du hättest eine Jacke überziehen sollen.« Dieter winkte. »Jan? Einen Glühwein für meinen jungen Freund hier und mir auch einen.«
Dann unterhielten sie sich. Sie redeten über die Arbeitslosigkeit, über Dieters schwulen Zahnarzt und über das schlechte Fernsehprogramm. Sie tranken noch einen Glühwein, Dieter war beschwipst. Sie sprachen über Musik, Bücher und Malerei, hier wusste Dieter Bescheid. Angelo auch, und sie hatten sogar die gleichen Vorlieben. Kennst du das? Hast du das gelesen? Muss man kennen. Muss man gelesen haben. Sie tranken einen dritten Glühwein, und es wurde sehr spät. Jan kam und kassierte, Dieter zahlte für beide.
»Ich habe noch kein Zimmer gefunden«, gestand Angelo.
Dieters Augen glänzten wie Tannenbaumkugeln. »Macht doch nichts, du kannst bei mir übernachten.«
»Frohe – Weihnachten, Jan«, stammelte er, als er mit unsicheren Schritten hinauswankte. »Angelo und ich müssen jetzt in die Heia, aber nicht, was du denkst, nicht was du – oh!« Dieter hielt sich am Tresen fest. »Nicht, was du denkst, Jan.«
»Frohes Fester, Dieter.« Jan sah ihm nach und kratzte sich die Augenbraue.
Der Morgen des 24. Dezember war genauso grau wie der gestrige, aber für Dieter L. schien die Sonne. Die Sonne, das war der junge, schlanke Angelo, neben dem er erwacht war. Leise erhob sich Dieter und schlich in die Küche. Etwas brummte sein Schädel, das war der Glühwein, aber das machte nichts. Ein starker Kaffee würde helfen, wenn Angelo nur zum Frühstück blieb!
Dieter machte ein Frühstück, das auch den hartnäckigsten Schläfer aus dem Bett trieb. Toast, gebratener Schinken, Eier, Butter, Marmelade, Cornflakes, Orangensaft, Kaffee und Sahne. Dieter hörte Angelo im Bad, bald darauf kam er, den bernsteinfarbenen Körper in Dieters Bademantel gehüllt, mit noch feuchtem Haar, duftend nach Dieters Shampoo, und er begrüßte Dieter mit einem Kuss auf die Wange. »Toll, dein
Weitere Kostenlose Bücher