Wiedersehen in Stormy Meadows
Hof.
»Da ist er«, sagt Petra, als die Autotür zuschlägt.
Doch Laura schüttelt den Kopf. Und auch ich habe in den letzten Wochen gelernt, dass Charles Treloar niemals ins Haus kommt. Es sei denn, Cassie und ich sind schon zu Bett gegangen.
»Das glaube ich kaum«, sagt Laura. »Das wird Connor sein.«
»Connor! Aber ich bin doch noch gar nicht fertig!«, quietscht Petra. »Haltet ihn auf! Ich muss mich erst noch anziehen!« Sie rast in den Salon und knallt die Tür hinter sich zu.
Cas sprintet zur Tür und macht ihm auf. Laura verharrt in der Hoffnung auf weitere Komplimente in ihrer Pose.
»Wow! Du siehst sagenhaft aus, Laura!« Connor nimmt sie zur Begrüßung bei den Händen und betrachtet sie eingehend. »Treloar weiß gar nicht, was für ein Glück er hat.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.« Laura spielt die Unschuldige. »Ich gehe doch bloß mit einer guten alten Freundin essen.«
»Gut und alt kaufe ich dir ab«, zwinkert er ihr zu, »aber die einzige Frau bei diesem Abendessen wird wohl das Prachtweib hier vor meiner Nase sein.«
Wieder erleuchten Autoscheinwerfer den Hof, dieses Mal gefolgt von einem Hupen. »Ich werde abgeholt.« Laura strahlt wie ein Backfisch. »Bis später, meine Lieben!«
»Viel Spaß!«, rufe ich ihr hinterher.
Cas kann es gar nicht abwarten, Connor eins ihrer neuesten Bilder zu zeigen: ein Aquarell von Chance, der zur oben offenen Stalltür herausschaut. Am unteren Bildrand liegt zusammengerollt einer der Collies in der Sonne und schläft. Es gefällt mir gut, sehr gut sogar. Es hat etwas Leichtes an sich.
Laura und Charles sitzen immer noch bei laufendem Motor im Auto. Sie küssen sich. Ich glaube, sie hat ihn über Weihnachten ganz schön vermisst. Gestern Abend im Ship hat sie ihn zum ersten Mal seit unserem Billardabend wiedergesehen.
»Das ist wohl die öffentlichste geheime Liebesaffäre der Welt, was?« Connor steht direkt hinter mir. Cas ist nach oben geflitzt, um noch mehr Bilder zu holen.
»Was meinst du, weiß seine Frau Bescheid?«
Ich sehe ihm an, dass er sich seine Antwort gründlich überlegt.
»Ich glaube, sie weiß, dass er fremdgeht, aber nicht, mit wem.«
»Ach, Mensch. Sosehr ich Laura liebe, muss ich gestehen, dass mir Charles’ Frau leidtut. Das ist bestimmt nicht einfach für sie.«
Ein breites Lächeln vertreibt Connors nachdenkliche Miene. »Ganz bestimmt. Aber Mrs. Treloar berührt das herzlich wenig – sie hat selbst einen jungen Gespielen in London.«
»Wie? Was? Ich dachte, sie würde ihre kranke Mutter besuchen? Jetzt sag bloß nicht, dass sie gar keine kranke Mutter hat!«
»Unter uns: Sie hatte eine kranke Mutter. Eine sehr kranke Mutter sogar. So krank, dass die Gute leider nicht mehr unter uns weilt.«
»Und das hat sie ihrem Mann nicht erzählt? Und lügt ihm jetzt vor, sie würde sie besuchen?« Ich bin fassungslos.
»Ich glaube nicht, dass sie ihn angelogen hat. Natürlich weiß ich nicht alles, aber ich glaube, sie führen eine Ehe, in der ganz, ganz viele Dinge nie gesagt werden, weil es so am einfachsten und bequemsten ist.«
»Wie schrecklich.«
»Nicht gerade die ideale Partnerschaft, oder?«
Ich schüttle den Kopf.
»Aber jeder versteht unter ideal etwas anderes. Was wäre in deinen Augen eine ideale Partnerschaft, Natalie?«
Abrupt wende ich mich vom Fenster ab und ihm zu.
»Gefunden!« Cassie kommt mit einer Handvoll Bildern die Treppe heruntergepoltert. Sie breitet sie auf dem Tisch aus und winkt uns heran, sie anzusehen. Connor ist voll des Lobes, und selbst ich alte Kunstbanausin kann sehen, dass die Bilder etwas Besonderes sind.
»Ich habe ihr auch schon gesagt, dass sie gut sind«, erkläre ich Connor, während Cassie ihre Werke jetzt, da sie Connors Gütesiegel erhalten haben, äußerst behutsam zusammenschiebt und in Lauras Arbeitszimmer bringt. »Aber ich habe den Eindruck, dass nur dein Lob etwas zählt.«
»Sie hätte dir ohne Weiteres glauben können. Sie malt wirklich toll. Hat einen Blick für Details. Ich glaube, sie könnte damit später sogar Geld verdienen.«
»So gut findest du sie?«
»Ja.«
Das Klappern von Absätzen kündigt Petras Erscheinen an. Sie hat sich offenbar von Laura inspirieren lassen. Ein schokoladenbrauner Rock, kaum breiter als eine Bordüre, aber trotzdem noch mit Schlitz, bringt ihre endlos langen Beine perfekt zur Geltung. Sie trägt ein Top aus schwerem goldenen Material, einem Kettenhemd nicht unähnlich, dessen Ausschnitt fast bis zum Bauchnabel
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