Wiedersehen in Stormy Meadows
verschwommene Konturen. Sie werden langsam schärfer, bis ich zwei Personen erkenne, die in einer Tür stehen. Ich befinde mich in einem Zimmer, und in diesem Zimmer ist alles weiß – die Wände, die Decke, das Bettzeug. Selbst der Kittel einer der Personen in der Tür. Dann erinnere ich mich schlagartig daran, was passiert ist, und verstehe, wo ich sein muss. Die Gestalt im weißen Kittel spricht.
»Sie hat riesiges Glück gehabt. Ein paar geprellte Rippen, aber sonst keine ernsthaften Verletzungen. Wir behalten sie dennoch ein paar Tage zur Beobachtung hier. Wir werden noch ein paar Röntgenaufnahmen machen, um sicherzugehen, dass wir nichts übersehen haben.«
»Sie wollen sie hierbehalten? Aber wozu denn? Sie haben doch gerade selbst gesagt, dass es ihr gut geht. Ich möchte sie mit nach Hause nehmen.«
»Ich weiß, aber wir möchten einfach auf Nummer sicher gehen.«
»Ich kann mich zu Hause viel besser um sie kümmern, als Sie das hier im Krankenhaus können.«
»Davon bin ich überzeugt, aber bei Traumapatienten ist es immer besser, eine Spur zu vorsichtig zu sein. Das müssten Sie doch wissen.«
»Ich will aber nicht, dass sie hier im Krankenhaus liegt. Und sie will das bestimmt auch nicht. Nattie kann Krankenhäuser nicht ausstehen, bei mir zu Hause würde sie viel schneller genesen.«
»Dennoch müssen wir das Wohl der Patientin im Auge behalten, und im Moment –«
»Verdammt noch mal, sie ist meine Tochter! Glauben Sie nicht, dass ich das Wohl meiner eigenen Tochter im Auge habe?«
Der Mann in Weiß lächelt nachsichtig und legt meiner Mutter sanft die Hand auf die Schulter.
»Mum?«, krächze ich.
Sofort ist Laura bei mir. »Nattie! Du bist wach! Gott sei Dank! Geht es dir gut? Wie fühlst du dich?«
Der Mann in Weiß taucht an meiner anderen Bettseite auf.
»Natalie.« Milde lächelt er mich an. »Ich bin Dr. McCardale. Sie sind böse gestürzt, aber abgesehen von ein paar geprellten Rippen scheinen Sie mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Können Sie mir sagen, wie Sie sich fühlen?«
»Mir geht’s gut«, sage ich und versuche, mich aufzusetzen.
»Sachte, sachte, bitte bleiben Sie liegen, damit ich Sie mir noch mal ansehen kann.« Mit seinen langen, schlanken Fingern tastet er mich ab. »Bitte sagen Sie mir, wenn es wehtut.«
Gequält lächle ich ihn an. Mir tut alles weh. Aber das werde ich ihm bestimmt nicht auf die Nase binden. Meine Mutter hat ganz recht: Ich kann Krankenhäuser nicht ausstehen. Den Geruch, die bedrohliche Atmosphäre … Mein Vater hat die letzten Tage seines Lebens im Krankenhaus verbracht, und ich habe mir damals geschworen, zeit meines Lebens einen großen Bogen um jede Klinik zu machen.
»Tut das weh?«
»Nein«, lüge ich.
Meine Mutter zwinkert mir aufmunternd zu, als er meine Bauchdecke eindrückt.
»Und das?«
Ich reiße mich zusammen und verziehe keine Miene. Ich will auf keinen Fall für längere Zeit hierbleiben müssen.
Dr. McCardale richtet sich auf. »Sieht alles prima aus. Wir haben Sie bei Ihrer Einlieferung geröntgt – vermutlich haben Sie davon gar nichts mitbekommen.« Er lächelt mich ein bisschen von oben herab an. »Wie gesagt, außer ein paar geprellten Rippen haben Sie sich keine ernsthaften Verletzungen zugezogen.«
»Also kann ich nach Hause?«
»Natalie, Sie sind ganz übel gestürzt«, fasst er noch mal zusammen, als sei ich schwer von Kapee. »Sie sind stundenlang bewusstlos gewesen. Wir möchten Sie noch eine Weile zur Beobachtung hierbehalten.«
»Zur Beobachtung?«
Er nickt. »Sie sind auch mit dem Kopf aufgeschlagen.«
»Meine Mutter kann mich doch beobachten.«
»Genau, ich kann sie doch beobachten«, mischt Laura sich eifrig ein.
»Tut mir leid, aber ich finde, dass Sie noch mindestens eine Nacht hierbleiben sollten. Traumata sind unberechenbar, Natalie. Vorsicht ist besser als Nachsicht.«
»Aber mir geht’s doch gut.«
Er hebt die Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. »Heute Nacht bleiben Sie auf jeden Fall noch hier. Morgen können wir weiterreden.«
Er dreht sich zu Laura um und bedenkt sie mit einem kurzen Lächeln. »Meine Patientin braucht jetzt Ruhe. Es wird das Beste sein, wenn Sie alle nach Hause gehen.«
»Aber Cas, also ihre Tochter, wartet schon seit Stunden draußen und will sie sehen … Und ihre Freunde. Die ganze Nacht warten sie schon.«
»Na, wenn sie schon so lange Geduld aufgebracht haben, wird es ihnen sicher nichts ausmachen, noch eine Nacht zu warten. Sagen Sie ihnen,
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