Wiedersehen in Virgin River
Handtasche über der Schulter hängen und Tränenspuren auf den Wangen. Sie stellte sich vor sie hin und sagte: „Ich will nicht nach Hause. Allein. Heiligabend.“
„Oh Schätzchen“, rief Mel und breitete die Arme aus.
Spontan rutschten Mel und Joey auseinander, sodass Brie sich zwischen sie setzen konnte. Brie ließ ihre Handtasche fallen, zog sich den Mantel aus, entledigte sich ihrer Schuhe und stieg in diese kleine Lücke auf der Couch, die sie ihr anboten. Und fing an zu weinen.
„Es ist ja nicht, als hätte ich noch nie Leute in ihrem Scheidungsverfahren begleitet“, sagte sie. „Aber man kann sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn der Mann, den man liebt, der Mann, der einen verlässt, einen dann bittet, seine Freundin zu sein.“
„Mein Gott, so eine Frechheit!“, empörte sich Mel.
„Und wisst ihr, was das Schlimmste ist? Ich hasse ihn für das, was er getan hat. Aber trotzdem kann ich nicht damit aufhören, mir zu wünschen, er käme wieder zurück.“
„Oh Brie…“
„Wenn er heute Abend kommen und mir sagen würde, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hat – ich glaube, ich würde ihm verzeihen. Wisst ihr, dass er von mir Unterhalt verlangt? Geld, das er dann für sie und ihre Kinder verwendet? Sie erhält Unterhalt und Geld für die Kinder von ihrem Mann, und ich zahle dann auch noch für sie. Und beide haben sie gute Jobs. Bei dem Deal werden sie auch noch richtig Geld machen.“
„Dieser Mistkerl …“
„Und ich kann es gar nicht abwarten, ihn endlich dafür zu hassen. Aber dann habe ich auch wieder so viel Angst davor, ihn zu hassen, weil sich damit ja auch die Tür endgültig schließen würde. Und ich will ihn wiederhaben“, jammerte sie. „Ich glaube, ich liebe diesen Schweinehund noch immer.“
Mel und Joey legten die Arme um sie und hielten sie, während sie weinte.
„Es tut mir so leid“, sagte Brie. „Es ist Weihnachten, und ich wette, es ist das erste wirklich schöne Weihnachtsfest, das du seit Langem hattest, Mel.“
„Wir sind eine Familie“, beruhigte sie Mel. „Wir freuen uns gemeinsam und teilen unsere Schmerzen. Du bleibst jetzt einfach hier bei uns. Wir schlafen sowieso heute Nacht auf der Couch. Ich wette, man kann sie ausziehen.“
„Warum schlaft ihr auf der Couch?“
„Unsere betrunkenen Männer stinken so“, erklärte Joey.
14. KAPITEL
F ruh am Weihnachtsmorgen drehte Jack sich mit einem lauten Stöhnen auf die andere Seite um. Der Kopf schien ihm platzen zu wollen, und irgendwo tauchten darin Erinnerungen auf, dass er mit viel zu viel Alkohol die Fakten über schwangere Frauen erfahren hatte. Oder war das in der Nacht davor gewesen? Er war sich nicht sicher. Möglicherweise war es sogar zu unangebrachten Scherzen in Anwesenheit der Frauen gekommen. Er konnte nur hoffen, dass sie dazu alle viel zu betrunken gewesen waren. Der Geschmack in seinem Mund erinnerte ihn vage an ein Katzenklo. Er öffnete ein blutunterlaufenes Auge und stellte fest, dass das Bett neben ihm leer war. „Oh-oh“, sagte er. Die plötzliche Erkenntnis, dass der einzige Mann der Familie Sheridan, der nicht in Schwierigkeiten steckte, Sam sein würde, half ihm wenig.
Schwerfällig hob er sich aus dem Bett und sah auf die Uhr. 6:00 Uhr früh. Zeit genug also, seine Zäune wieder auszubessern, bevor die Massen wieder über sie herfielen, aber zuerst musste er seine Frau überhaupt einmal finden. Er hoffte, dass sie wenigstens noch in Sacramento war.
Er spülte sich den Mund aus und fuhr sich mit einer Bürste übers Haar, das ihm in allen Richtungen vom Kopf abstand. Er hatte nur einen Gedanken, dass nämlich seine lausigen Schwager hoffentlich noch größere Probleme hatten als die, die er zweifellos zu erwarten hatte. Denn sie hatten ihm das eingebrockt. Ausnahmslos alle waren sie ein schlechter Einfluss.
Noch immer trug er die Hose von gestern Abend. Kein gutes Zeichen. Allerdings hatte sie ihn nicht im Schlaf gekillt, und das war ein gutes Zeichen. Wahrscheinlich hob sie sich seine Exekution für später auf, nämlich dann, wenn er auch etwas davon mitbekam. Er baute sich vor dem Spiegel auf und streckte seine haarige Brust heraus. Er beugte den Arm und ließ seinen tätowierten Bizeps spielen. Ich bin ein Marine, sagte er sich. Sie ist nur einssechzig groß. Sichtlich sank er in sich zusammen, und sein nächster Gedanke war: Wem mache ich denn etwas vor?
Er schlich sich aus dem Schlafzimmer in das stille Haus. Ah, da waren sie ja. Mel, Brie und Joey
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