Wiedersehen in Virgin River
schlug mit Sturmstärke gegen die Windschutzscheibe. Sie war noch ungefähr vierhundert Meter von ihrem Waldhaus entfernt, als ein scharfer Schmerz ihr vorne durch den Bauch fuhr, und als sie ihre Hand dorthin legte, fühlte sie, wie ihre Gebärmutter steinhart geworden war. Mist!, dachte sie. Du Pseudoprofi! Wer hat nur zugelassen, dass du Hebamme wirst? Das sind Wehen! Rückenwehen! Schon den ganzen Tag über! Und gestern hat es angefangen!
Plötzlich lag vor ihr eine Kiefer quer über der Straße, die offensichtlich von einem Blitzschlag getroffen worden war, und sie konnte nicht mehr bremsen. Wenigstens traf sie nicht frontal auf, denn sie konnte noch zur Seite ausweichen, allerdings stieß sie mit dem linken Stoßflügel an und rollte mit dem rechten Vorderrad des Trucks bis über den Seitenstreifen hinaus.
Abgelenkt von ihrer Wehe, hatte sie fast einen Unfall gebaut. Besser gesagt, es hätte weit schlimmer kommen können, denn zum Glück war auch der Airbag nicht aufgegangen. In dem Stadium ihrer Schwangerschaft hätte das ein böses Ende nehmen können. Sie würde jetzt wieder zurück zu Jack fahren und dann ins Krankenhaus.
Sie legte den Rückwärtsgang ein, und die Reifen drehten durch. Wieder und wieder versuchte sie es und ließ den Truck dabei schaukeln. Und jetzt, dachte sie, habe ich es endgültig vermasselt. Warum bin ich nicht nur noch zehn Minuten länger in der Bar geblieben? Das hätte gereicht, und die erste richtige Wehe hätte dort eingesetzt!
Es blieb ihr gar nichts anderes übrig, als das letzte Stück bis zum Waldhaus zu laufen und Jack von dort aus anzurufen. Es war nicht weit; diesen kleinen Akrobaten würde sie jedenfalls nicht auf den Boden fallen lassen. Aber ich werde sehr, sehr nass werden, dachte sie. Und ich werde etwas früher als erwartet ein Baby haben.
17. KAPITEL
M el musste über den dicken Baumstamm klettern, an dem auch noch massenhaft Aste hingen. Eine echte Herausforderung, bei ihrem Bauch und allem. Ihre Medizintasche hatte sie, also schlug sie sich den Kragen ihres Mantels hoch und stapfte los. Sie musste sich dem Wind entgegenstemmen und kämpfte sich leicht vorgebeugt voran. Weit war sie nicht gekommen, als sie von einer weiteren Wehe gepackt wurde. Whoa, dachte sie, denn die letzte war noch gar nicht so lange her. Aber es war ja ihr erstes Baby, also gab es noch jede Menge Zeit. Zweifellos würde sie stundenlang in den Wehen liegen und dann noch einmal eine Stunde lang pressen müssen. Keine Panik – da ist noch reichlich Zeit. Aber sie hasste die Vorstellung, noch einmal über diesen Baumstamm klettern zu müssen, wenn sie an ein Fahrzeug gelangen wollte. Nun, dachte sie, dann wird er mich eben tragen müssen. Gut, dass ich mir einen großen starken Mann ausgesucht habe!
Auf der Veranda ihres Waldhauses geschah es wieder. Eine weitere Kontraktion. Sie zählte. Es war ganz schön heftig und dauerte lange. Kaum noch ein Zweifel. Das war es.
Als sie hereinkam, ging sie, ohne sich Stiefel oder Mantel auszuziehen, sofort zum Telefon. Sie nahm den schnurlosen Hörer in die Hand und tippte ein paar Nummern ein, dann lauschte sie. Kein Klingelzeichen. Sie legte auf und horchte. Kein Freizeichen. Oh Mist, dachte sie.
Sie sagte sich, dass es ganz in Ordnung wäre, wenn sie jetzt etwas heulen würde. Also schniefte sie ein paarmal, während sie gleichzeitig versuchte, im Kopf auszurechnen, wo sie mit ihren Wehen in ein paar Stunden stehen würde, wenn es Jack endlich einfiele, sich heimfahren zu lassen. Sie drückte auf den Lichtschalter. Nichts. Okay, es war also auf jeden Fall in Ordnung zu heulen. Kein Strom, kein Telefon, kein Arzt, lediglich eine schwachsinnige Hebamme im Haus. Und das Baby kommt. Es ist unterwegs.
Mel setzte sich an den Küchentisch, legte die Hand an den Bauch und versuchte, sich zu sammeln. Um sich zu beruhigen, atmete sie ein paarmal tief durch. Es gab nichts, was sie tun konnte, als sich auf den Fall vorzubereiten, dass das Baby zu Hause geboren würde. Sie war noch tropfnass vom Regen. Sie wollte versuchen, die Erweiterung ihres Muttermunds zu messen, was bei der dicken Wölbung, die da im Weg war, mehr als schwierig sein dürfte. Aber zuerst wollte sie noch irgendwie ihre Matratze schützen, ein paar Handtücher und Decken zusammensuchen, eine Schüssel oder einen Kessel und die Medizintasche neben das Bett stellen. Sie wollte kurz duschen. Wenn sie doch nur ihre Stiefel runter bekäme. Das war immer schwieriger, als sie dachte, und bevor
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