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Wiedersehen in Virgin River

Wiedersehen in Virgin River

Titel: Wiedersehen in Virgin River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robyn Carr
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Vater nie Fragen stellen konnte. Wes besaß nicht die Geduld, ihm Antworten zu geben. „John, haben Sie eine Familie?“
    „Nicht mehr. Ich war ein Einzelkind. Meine Eltern waren nicht mehr ganz so jung, jedenfalls hatten sie wohl schon geglaubt, dass sie keine Kinder mehr bekommen würden. Dann habe ich sie überrascht. Junge, und wie ich sie überrascht habe. Mein Vater starb, als ich sechs war. Er ist auf einer Baustelle verunglückt. Und dann meine Mutter. Da war ich siebzehn, kurz vor meinem Abschlussjahr.“
    „Das tut mir leid.“
    „Ja, danke. Ist okay. Ich hatte ein gutes Leben.“
    „Was haben Sie gemacht, nachdem Sie Ihre Mutter verloren hatten? Sind Sie bei Tanten untergekommen oder so?“
    „Es gab keine Tanten“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Mein Footballtrainer hat mich aufgenommen. Das war gut. Er hatte eine nette Frau und einen ganzen Haufen kleiner Kinder. Da konnte ich gut auch noch bei ihm wohnen. Beim Football hat er sich eh so verhalten, als würde ich ihm gehören“, sagte er lachend. „Nee, Scherz beiseite, es war gut, dass er das getan hat. Ein guter Kerl. Wir haben uns immer Briefe geschrieben und jetzt E-Mails.“
    „Was ist mit Ihrer Mutter passiert?“
    „Ein Herzanfall.“ Einen Moment lang schwieg er respektvoll, den Blick auf seinen Schoß gesenkt, dann lachte er leise. „Sie werden es nicht glauben, aber sie starb während der Beichte. Anfangs hat mich das völlig fertiggemacht, denn ich stellte mir vor, dass sie vielleicht wirklich irgendein tiefes, dunkles Geheimnis haben könnte, das den Anfall ausgelöst hatte. Aber ich kannte den Priester ganz gut. Ich war ja sein Messdiener. Und auch wenn es ihm schwergefallen ist, am Ende war er dann ehrlich mit mir. Sehen Sie, meine Mutter war die Gemeindesekretärin und wirklich … wie soll ich sagen? So eine Art Kirchenfrau. Schließlich hat mir Pater Damien also erzählt, dass die Beichten meiner Mutter so langweilig waren, dass er immer eingenickt ist. Er hatte geglaubt, dass sie diesmal bloß beide eingeschlafen wären, aber dann war sie tot.“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Eine gute Frau, meine Mutter. Da gab es keine großen Aufregungen. Sie lebte für diesen Job, liebte die Geistlichen und liebte die Kirche. Sie wäre eine gute Nonne gewesen. Aber wissen Sie was? Sie war glücklich. Ich glaube nicht, dass sie im Geringsten daran dachte, sie könnte langweilig oder verklemmt sein.“
    „Sie müssen sie sehr vermissen“, sagte Paige, nippte an ihrem Tee und versuchte, sich daran zu erinnern, wann sie das letzte Mal ein solches Gespräch geführt hatte. In Ruhe, harmlos und warm vor einem gemütlichen Feuer.
    „Das tue ich. Und das wird jetzt dumm klingen, vor allem, weil ich ja kein Kind mehr bin, aber manchmal stelle ich mir vor, sie wäre wieder dort in dem kleinen Haus, in dem wir gelebt haben, und dass ich nur schnell meine Sachen packe, um sie zu besuchen.“
    „Das klingt überhaupt nicht dumm …“
    „Gibt es jemanden, den Sie wirklich vermissen?“, fragte er sie.
    Bei der Frage wurde sie plötzlich ganz still, wobei ihre Tasse mitten in der Luft hängenblieb. Ihr rauflustiger, aufbrausender Vater war es sicher nicht. Ebenso wenig ihre Mutter, die ihr, ohne es zu wissen oder zu wollen, gezeigt hatte, wie man eine geschlagene Frau war. Auch Bud nicht, ihr Bruder, ein gemeiner kleiner Mistkerl, der es versäumt hatte, ihr in der dunkelsten Stunde beizustehen. „Ich hatte einmal zwei wirklich enge Freundinnen. Hausgenossinnen. Wir haben den Kontakt verloren. Die vermisse ich manchmal.“
    „Wissen Sie denn, wo sie leben?“, fragte er sie.
    Sie schüttelte den Kopf. „Beide haben geheiratet und sind umgezogen. Ich habe ein paarmal geschrieben … Da sind die Briefe wieder zurückgekommen.“ Sie wollten keinen Kontakt mit ihr. Sie wussten, dass die Dinge schlecht standen. Sie hassten Wes, und Wes hasste sie. Sie hatten versucht zu helfen, eine kurze Zeit lang, aber Wes hatte sie verjagt, und sie selbst hatte ihre Hilfe aus purer Scham zurückgewiesen. Was hätten sie sonst tun sollen? „Wie kommt es, dass Sie und Jack sich so nahestehen?“, fragte sie ihn.
    „Marines“, antwortete er achselzuckend.
    „Haben sie sich gemeinsam zum Militär verpflichtet?“
    „Nee.“ Er lachte. „Jack ist älter als ich, ungefähr acht Jahre. Ich habe schon immer älter ausgesehen, als ich bin. Schon mit zwölf. Und Jack, ich wette, er hat immer jünger ausgesehen. Er war mein erster Sergeant im Gefecht,

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