Wiedersehen in Virgin River
dass Sie vorher ein anderes Leben geführt haben. Vor Virgin River, meine ich. Immerhin haben Sie einen Sohn.“
„Das wird wohl so sein“, bestätigte Paige.
„Außerdem“, Mel lehnte sich zurück und strich mit beiden Händen über ihren kleinen Bauch. „Hier gibt es einige Leute, denen man es allmählich ‚ansehen’ kann. Wussten Sie schon, dass ich jetzt im vierten Monat bin?“
„Könnte hinkommen, so wie es aussieht“, sagte Paige lächelnd.
„Hm. Und ich bin jetzt seit sieben Monaten hier im Dorf und mit Jack weniger als einen Monat verheiratet. Es ist meine zweite Ehe, nachdem mein erster Mann gestorben ist. Nach Meinung der Experten war ich nicht in der Lage, schwanger zu werden.“ Paige bekam vor Staunen ganz runde Augen, und ihr Mund formte ein 0. Mel lachte. „Wie es scheint, brauche ich bessere Experten. Oh, und Sie glauben wirklich, die Einzige zu sein, die diesen Ort gefunden hat, weil sie einmal falsch abgebogen ist.“
„Da steckt doch sicher noch viel mehr dahinter“, bemerkte Paige und zog fragend eine Augenbraue hoch.
„Bloß die Details, Schwester. Wir haben noch viel Zeit“, antwortete Mel mit einem hellen Lachen.
Seit zehn Tagen lebte Paige jetzt in dem kleinen Zimmer über der Küche, wobei sie die ersten vier damit zugebracht hatte, ihre Abreise zu planen. Preacher versicherte ihr, dass seiner Meinung nach alles sehr gut lief. Sie hatten eine nette kleine Routine entwickelt. Sobald Chris mit dem Frühstück fertig war und Paige sich geduscht und verschönert hatte, machte sie sich an die Arbeit in der Küche, die nach dem Frühstück aufgeräumt werden musste. Während Chris dann bei John blieb und entweder Bilder ausmalte, mit einem Kartendeck Mau-Mau spielte, mit seinem Besen herumfegte oder sich mit anderen Hausarbeiten beschäftigte, kümmerte Paige sich um ihr Zimmer und ihre Sachen. Weil sie nicht viel mitgenommen hatte, musste sie häufig in Johns Wäschezimmer, um zu waschen, und während dann Waschmaschine und Trockner vor sich hin summten, erledigte sie ein paar Dinge, von denen sie hoffte, dass es ihm helfen würde. Sie putzte sein Bad, wischte Staub, machte sein Bett und ging auch schon mal mit dem Besen durch sein Zimmer.
„Soll ich nicht auch für Sie mal eine Maschine mit anstellen?“, schlug sie ihm vor.
„Darum kümmere ich mich schon. Hören Sie, es ist nicht nötig, dass Sie hinter mir herräumen.“
Sie lachte ihn aus. „John, den ganzen Tag bin ich in der Küche damit beschäftigt, Ihre Töpfe einzusammeln, die Pfannen und das Geschirr. Es wird schon zur Gewohnheit.“ Über seine verblüffte Miene musste sie lachen. „Und Sie passen den ganzen Tag lang auf mein Kind auf. Da sind Sie nun mal ziemlich hilflos, denn er lässt Sie ja nicht in Ruhe. Das Mindeste, was ich tun kann, ist, Ihnen etwas zu helfen.“
„Ich passe nicht auf ihn auf“, klärte John sie auf. „Wir sind Kumpel.“
„Ah, ja“, sagte Paige und dachte, aber sicher doch. Kumpel.
Mittags war meist viel Betrieb. Paige servierte und räumte die Tische ab. Auch zwischen fünf und acht, in der Zeit für die Hauptmahlzeit, war viel los, zumal in dieser Jahreszeit. Es war Herbst und damit Jagdsaison, und auch für Angler wurde die Gegend allmählich wieder interessant. Nach acht blieben gelegentlich noch ein paar Gäste bei einem Bier oder irgendwelchen Drinks sitzen, aber das Kochen war dann für den Abend erledigt. Damit war es auch an der Zeit, Chris nach oben zu befördern, ihn zu baden und ins Bett zu bringen. Anschließend sah sie dann nur noch einmal schnell nach, ob es vor Toresschluss noch etwas für sie zu tun gab, und gelegentlich trank sie dann auch zusammen mit John noch eine Tasse Tee.
Preacher mochte diese Zeit am Abend, wenn kein Essen mehr serviert werden musste, wenn die Küche sauber war und wenn er hörte, wie Paige oben Wasser einlaufen ließ. Manchmal konnte er hören, wie sie mit Chris irgendwelche Kinderlieder sang. Aber bevor er sich seinen üblichen Schlummertrunk gönnte, stöberte er immer noch in seinen Kochbüchern und plante die Mahlzeiten für den nächsten Tag, manchmal auch schon für die nächste Woche, und erstellte die Einkaufslisten. Dieses Vorgehen gab ihm das Gefühl, alles effizient zu bewältigen. Preacher war sehr gut organisiert.
Es war gegen halb neun, und in der Bar saßen noch ein paar Jäger. Jack kümmerte sich um den Tresen. Buck Anderson hatte Mel ein paar schöne große Lammkeulen gebracht, die natürlich gleich an
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