Wiedersehen in Virgin River
gesagt, dass Rick uns dort treffen würde?“
Liz zuckte die Schultern. „Das hätte Connie nicht gefallen.“
„Warum nicht? Er ist der Vater.“
„Tante Connie ist ziemlich wütend darüber. Wütend auf mich und auf Rick. Und meine Mutter … du liebe Güte. Wie eine Rakete ist sie hochgegangen. Sie will, dass wir uns überhaupt nicht mehr sehen …“
„Sie schickt dich nach Virgin River, will aber nicht, dass du Rick siehst?“, fragte Mel verwundert. Welchen Sinn sollte das denn haben?
„Ich weiß“, sagte Liz. „Blöd nicht?“ Mit beiden Händen rieb sie ihren Bauch. „Ein Junge“, sagte sie leise und traurig.
Mel warf ihr heimlich einen Blick zu und sah, wie dem Mädchen eine Träne über die Wange lief.
Dann ertappte sie sich bei dem Gedanken, dass eine Frau, die alt genug war, ein Baby zu empfangen, auch alt genug sein musste, das zu lieben, was in ihr wuchs. Und alt genug, den Mann zu lieben, der es dort hineingebracht hatte.
9. KAPITEL
I n Los Angeles konnte Preacher Paige und Chris auch einmal für kurze Zeit im Hotel allein lassen, wenn er ins Krankenhaus ging. Er war überzeugt davon, dass dort keine Gefahr für sie bestand. Nach wie vor rief sie regelmäßig im Therapiezentrum an, aber selbst wenn es Wes gelingen sollte, irgendwie von dort zu entweichen, würde er auf keinen Fall wissen können, wo sie sich aufhielten. Trotzdem seufzte sie jedes Mal hörbar und offensichtlich erleichtert auf, wenn Preacher zurückkam und sie unterstützte. Er war sich nicht ganz sicher, ob das nur an dem Terror lag, den sie in ihrer Ehe erfahren hatte, oder ob es noch tiefer liegende Gründe dafür gab. In seinem Verständnis von ihr klafften noch große Lücken. Und die größte war ihre Familie.
Auf der langen Fahrt von Virgin River in die Stadt, Stunde um Stunde im Truck, während Chris auf dem Rücksitz immer wieder einnickte, hatten sie viel Zeit gehabt, miteinander zu reden. Unbeschwert und lebhaft hatte Paige ihm seifenopernähnliche Geschichten aus dem Schönheitssalon erzählt, in dem sie einmal gearbeitet hatte. Sie hatte von der guten Zeit gesprochen, die sie mit ihren besten Freundinnen in der alten Haushälfte erlebt hatte, die sie sich teilten, und sogar frühere Freunde hatte sie erwähnt. Mit gesenkter Stimme hatte sie ihm weitere Einzelheiten aus ihrem Leben mit Wes enthüllt, immer darauf bedacht, dass Chris sie nicht hören und sich erschrecken konnte. Sowie aber das Gespräch auf ihre verwitwete Mutter und den älteren, verheirateten Bruder kam, schien sie zuzumachen und wirkte nervös und deprimiert. Es gab da eine tiefliegende Ambivalenz, die sie aber nicht erklärte. „Mit meiner Familie hatte ich nicht mehr viel zu tun, nachdem ich geheiratet hatte“, sagte sie nur. „Und Bud und ich waren uns noch nie nahe, nicht einmal als Kinder.“
„Vielleicht wird sich das ja jetzt ändern“, wandte er ein. „Hör mal, du willst doch eine solche Möglichkeit nicht verstreichen lassen. Für eine Stunde mit meiner Mutter würde ich alles tun. Und zu den Marines bin ich gegangen, nur um Brüder zu finden.“
„Ich weiß“, sagte sie. „Das ist mir klar.“
„Hey, lass dich von mir nicht drängen. Aber wenn du doch schon einmal hier bist …“
„Es könnte sein, dass dir meine Familie nicht gefällt, John“, warnte sie ihn.
„Hey Paige, ich muss sie nicht mögen. Und sie müssen mich nicht mögen. Alles, was ich sagen will, ist, dass du jetzt eine Möglichkeit hast, sie zu besuchen.“
Es dauerte fünf Tage, bis sie ihre Mutter anrief, und dann noch einmal zwei, bis ein Treffen arrangiert war. Dann lud sie John ein, sie zu einem Abendessen mit der Familie ins Haus ihres Bruders zu begleiten. Ihre Mutter würde auch dort sein.
Innerhalb weniger Minuten ahnte Preacher, was das Problem war, aber er brauchte ungefähr eine Stunde, um alles zusammenzufügen. Achtundfünfzig Minuten zu viel. Er war nicht langsam, aber mit solchen Leuten hatte er bisher nicht allzu viel zu tun gehabt. Ein großer, stiller Einzelgängertyp wie Preacher – wenn ihn etwas anwehte, das irgendwie daneben war, dann machte er einen weiten Bogen darum.
Paiges älterer Bruder Bud erwartete sie an der Tür eines schmalen Reihenhauses, das in einem staubigen kleinen Vorort lag, in dem es nur ungefähr vier verschiedene Arten von Häusern und sehr wenige Bäume gab und wo die Menschen in der Auffahrt an ihren Autos werkelten. Bud hatte einen überdurchschnittlich großen gepflegten grünen Rasen vor dem
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