Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
werde jeden zur Rechenschaft ziehen, der etwas anderes behauptet.«
Chuck warf ihm einen verständnisvollen Blick zu. »Ich bin hier nicht der Feind, Kyle. Ich versuche nur zu helfen. Du hast recht, er hat ein Imperium aufgebaut. Und nun muss es jemand leiten. Denn ansonsten werden die Leute anfangen, alles Mögliche zu behaupten, ob es uns gefällt oder nicht.«
Die Botschaft kam bei Kyle an. Laut und deutlich. Und während der halbstündigen Fahrt zurück zum Haus seines Vaters überlegte er, welche Herangehensweise die beste war. Schließlich entschied er sich für die direkte.
Als er ankam, ging er sofort ins Arbeitszimmer, wo sein Vater an seinem Schreibtisch saß und am Computer ausdruckslos einige Fotos von einem Wagen betrachtete. Seit dem Tod seiner Mutter hatte sein Vater davon gesprochen, einen Oldtimer zu restaurieren. Das war sein Hobby gewesen, bevor der Erfolg seiner Firma mit der Entwicklung von Rhodes-Antivirus durch die Decke gegangen war.
»Hast du schon was gefunden?«, fragte Kyle, während er sich auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch setzte.
»Jemand in McHenry verkauft einen ’68 Shelby«, antwortete er mit gedämpfter Stimme.
Jedes Mal wenn sein Vater sprach, fiel Kyle auf, dass er kaum noch wie er selbst klang. Mutlos. Apathisch. Düster. Ein krasser Gegensatz zu dem dynamischen, fast überlebensgroßen Mann, den Kyle seit vierundzwanzig Jahren kannte.
»McHenry ist nur eine Stunde entfernt. Wir können ja morgen mal hinfahren und ihn uns anschauen«, sagte Kyle.
»Mal sehen.«
Kyle hatte in den letzten drei Wochen immer wieder solche Ausflüge vorgeschlagen, aber letztendlich hatten sie keinen davon dann auch tatsächlich unternommen. Auch wenn sein Dad davon sprach, einen Wagen zu restaurieren, schien er kein großes Interesse daran zu haben, auch tatsächlich damit anzufangen. Allerdings hatte er momentan an rein gar nichts Interesse.
Sein Vater drehte sich mit einem müden Lächeln zu Kyle um. »Vielleicht kannst du mal hinfahren und dir das Auto für mich ansehen. Du musst auch mal aus diesem Haus rauskommen.«
»Ich war heute draußen. Ich habe Chuck Adelman getroffen.«
Greys Lächeln erstarb. »Tatsächlich. Und was wollte Chuck?«
Kyle entschied, dass jetzt wahrscheinlich nicht der beste Moment war, um die Hasch-Mittwoch-Enthüllung zu erwähnen. Wenn er ehrlich war, fand er die Vorstellung von seinem Vater, der in Schlaghosen einen Joint rauchte und seine Mutter »eine total kesse Biene« nannte, so befremdlich, dass er die ganze Geschichte am liebsten aus seinem Gedächtnis gelöscht hätte. »Du musst anfangen, deine Anrufe und E-Mails zu beantworten«, sagte er unverblümt. Sein Vater war ein erwachsener Mann – vielleicht musste er doch etwas strenger mit ihm umgehen.
»Chuck überschreitet seine Grenzen. Er hätte dich da nicht mit hineinziehen dürfen.«
»Ich denke, dass es gut für dich wäre, wieder mit der Arbeit anzufangen, Dad. Es wird dich ein wenig ablenken.«
»Ich will aber nicht abgelenkt werden.«
Kyle saß einen Moment lang still da. »Wir entehren Moms Andenken nicht, wenn wir mit unserem Leben weitermachen. Sie hätte das auch gewollt.«
Sein Vater drehte sich wieder zu seinem Computer um. »Ich habe für diese Firma so viel aufgegeben. Das tue ich nie wieder.«
Diese Bemerkung überraschte Kyle. Weil sein Vater in ärmlichen Verhältnissen hatte aufwachsen müssen, war er auf seinen Erfolg immer besonders stolz gewesen. Sprach man fünf Minuten mit dem Mann, gelang es ihm irgendwie, die Tatsache zu erwähnen, dass Rhodes-Antivirus einen von drei Computern in Amerika schützte. »Wovon redest du da? Du liebst diese Firma.«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht so sehr, wie ich sie geliebt habe. Sie war … mein Ein und Alles. Ich hoffe nur, sie wusste das.«
Sein Vater begann zu weinen. Kyle wollte aufstehen, aber sofort hob sein Vater eine Hand.
»Nicht. Ich bin in Ordnung«, sagte er. Er wischte sich über die Augen und riss sich wieder zusammen.
»Dad …«
»Ich habe so viele Dinge aufgeschoben«, unterbrach er ihn. »Zum Beispiel diese Safari. Wie oft hat deine Mutter davon gesprochen? Sie hat diese komplette Reise nach Südafrika und Botswana für uns geplant. Und was habe ich zu ihr gesagt? Dass gerade zu viel los sei und wir nächstes Jahr fahren würden. Schätze, das Versprechen kann ich nun nicht mehr einlösen, nicht wahr?«
Nach einem Moment räusperte er sich. »Außerdem wollte sie uns zu einem Paarkochkurs anmelden, immer
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