Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wiegenlied Roman

Titel: Wiegenlied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Cantz
Vom Netzwerk:
es doch sicher fortgeben, nehme ich an.«
    Es war töricht, Hoffnung zu schöpfen, als er näher kam und mit dem Zeigefinger ihr Kinn anhob.
    »Ich habe einer schönen Frau für eine schöne Zeit zu danken«, sagte er leise. »Du bist hinreißend, Elsa.«
    Er würde sie nie wieder küssen.
    »Du wirst Karriere machen, und ich heirate einen spröden Backfisch.« Er lächelte schon wieder, während er den Degengurt anlegte. »Stimmst du mir zu, dass du es besser triffst?«
    Es war einfach zu viel, was er ihrem ärgerlichen kleinen Herzen zumutete.

    »Sorgst du auch für das Kind der Fürstin?«
    Ihrem Empfinden nach sprach sie sehr ruhig. In jedem Fall hatte sie seine ganze Aufmerksamkeit. Sie rief sich sein heftiges Erröten gegenüber der Fürstin in Erinnerung. Es gab kein Zurück.
    »Hast du dich damit an deinem Vater gerächt? Hast du die Fürstin verführt, weil man dir Eliza Radziwill genommen hat? Könnte man das so sagen?«
    Er war wie versteinert. Es veranlasste sie, einfach weiterzureden, wie auch immer es ihr in den Sinn kam.
    »Ich frage mich nur, wie dir das gelingen konnte. Sie ist doch ein so integrer Charakter. Lass mich überlegen …«
    Sie nahm die Finger zu Hilfe und rechnete nach.
    »Januar oder Februar kämen infrage. Ballsaison. Feenhafte Maskenfeste.« Sie lachte leise. »Ein Kostümspiel. Erstaunlich originell.«
    Fast glaubte sie, er würde den Degen ziehen, doch ruckartig, als befände er sich auf dem Exerzierplatz, wandte er sich um und ging.

    Wie die Dinge sich doch zuweilen fügten.
    Rechtzeitig hatte er vom Fenster aus die Schauspielerin das Palais passieren sehen. Da sie nicht schnell ging und zudem für nichts und niemanden Augen hatte, konnte er ihr leicht bis zum Theater folgen. Das Laudanum trug er jetzt immer bei sich; niemals wieder sollte der Schmerz die Kontrolle über ihn gewinnen.
    Diesmal hatte er Glück.
    Er konnte unbeobachtet nach ihr das Schauspielhaus betreten, denn heute stand es ihm offen. In alter Gewohnheit
stellten seine Augen sich zügig auf das Zwielicht der labyrinthischen Gänge ein. Er fühlte sich zu Hause in der trockenen, unbewegten Luft unöffentlicher Gefilde.
    Sie verschwand hinter der Tür einer Kammer, bei der es sich um ihre Garderobe handeln musste. Ihr Name war mit Kreide daraufgeschrieben.
    Demoiselle Elsa Heuser.
    Sie weinte. Er hörte es ganz genau, und auch, wie sie sich selbst zur Ordnung rief. »Schluss damit!« Sie schnäuzte sich.
    Er überlegte noch, welches Ziel er eigentlich verfolgte, als ihn heraneilende Schritte zwangen, sich nach einem Versteck umzusehen. Da er von kleinem Wuchs war, boten sich die dicht behängten Kostümgestelle an.
    Überraschenderweise kannte er die Person, die aufgeregt schwitzend, albern atemlos an der Garderobentür klopfte und schüchtern zurückwich, als diese sich öffnete.
    Es war die Kammerzofe.
    Tatsächlich, es fügte sich! Es fügte sich auf ganz und gar unerwartete Weise. Die Erregung trieb ihm den Schweiß in die Handflächen, dass es juckte. Zitternd wischte er die Hände an den Rockschößen seiner Livree ab, während er das Versteck verließ. Er presste sich an die Wand neben der Tür. Es musste sich um eine dünne Wand handeln, denn er verstand jedes Wort.
    Das Mädchen war außer sich vor Begeisterung über die Ehre, die Schauspielerin besuchen zu dürfen, bevor sie später, am Abend, der Aufführung im Parkett beiwohnen würde. Sie war bereit, auf alles zu antworten, wonach sie fragte.
    Als hätte er der Schauspielerin die Fragen diktiert.

    Die Fürstin kleide sich weitgehend selbst an, berichtete das herrlich dumme, so wunderbar geschwätzige Ding. Allein zum Schließen der Bänder und Knöpfe oder zum Schnüren der wieder in Mode kommenden Mieder rufe sie nach ihr. Wobei sie sich auch eine Zeit lang hatte in die Schuhe helfen lassen, doch das sei vermutlich wieder vorbei, was sie aber nicht gänzlich genau wusste, da die Fürstin sich seit Längerem in Paretz befand, wo ihre Dienste offenbar nicht benötigt wurden, da man sie im Prinzessinnenpalais zurückgelassen hatte.
    Und auch, plapperte die Zofe, hatte es Zeiten gegeben, im späten Herbst, da wollte die Fürstin jeden Tag baden, was anstrengend war, zumal sie, plötzlich einer neuen Idee folgend, stets mit Hemd und allen Pleureusen in die Wanne stieg, wie es nur jenen sehr und über die Maßen züchtigen Damen von Stand einfallen konnte, die im Grunde unverheiratet waren.
    »Die Ärmste«, hörte er die Schauspielerin sagen. Ihre

Weitere Kostenlose Bücher