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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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Wallnerstraße und Fahnengasse getroffen … dem Ramharter. Ja, das war der Name dieser Schänke. Mein Gott, ich habe an diese dunkle, kalte Bude seit Jahren nicht mehr gedacht. Ich habe Viktor damals zu einigen eher weniger schmackhaften Abendessen begleitet, aber es wurde schnell klar, dass die ach so fortschrittlichen Herren lieber keine Frau bei ihren Treffen dabeihaben wollten. Dort jedenfalls habe ich Mahler zum ersten Mal getroffen. Er trug damals einen Bart; ein großes verwildertes Gewuschel. Er hatte wohl angenommen, dass es ihn älter aussehen ließ. Er war damals erst achtzehn oder neunzehn, aber schon sehr von sich selbst überzeugt.«
    »Der ewige Künstler«, sagte Berthe fast seufzend.
    »Eher der ewige Langweiler, wenn du mich fragst. Ich meine, wie kann man achtzehn sein, in der Blüte der Jugend und bei bester Gesundheit, und trotzdem ohne Ende von der Todessehnsucht philosophieren. Aber die anderen waren kaum besser. Da war zum Beispiel Hermann Bahr, ein junger, eher einfältig wirkender Schriftsteller, der berühmt werden wollte. Und er hat es tatsächlich geschafft. Und dann Engelbert Pernerstorfer. Du kennst ihn, er ist noch immer eine der zentralen Figuren in unserer sozialistischen Bewegung. Damals hat er eine kleine Zeitung, das
Deutsche Wort
, herausgegeben. Oh, ja. Abgesehen davon, dass sie Sozialisten und Vegetarier waren, waren sie alle große Deutschnationale. Was für eine lächerliche Sache. Eine schnatternde Schar jüdischer Intellektueller, die sich auf Schmusekurs mit diesen Antisemiten begeben hatte. Viktor hat sich von den Deutschnationalen abgewandt, als ihr Judenhass nicht mehr zu übersehen war. Meine beiden Brüder, Heinrich und Otto, gehörten genauso zu der Gruppe wie der Journalist Richard von Kralik. Hugo Wolf kam nur selten vorbei, ihn fand man eher im Café Griensteidl, wo sich alle Möchtegern-Künstler der Zeit trafen. Ich habe es immer Café Größenwahn genannt. Und dann war da noch der arme Rott.«
    »Den kenne ich nicht«, sagte Berthe.
    »Eine wirklich große Tragödie. Hans Rott. Er war zusammen mit Mahler und Wolf am Konservatorium. Nach allem, was man hörte, ein wirkliches Genie. 1880 hat er völlig den Verstand verloren und ist vier Jahre später im Sanatorium gestorben. Wirklich ein Jammer. Man hat damals einhellig Brahms dafür verantwortlich gemacht.«
    »Brahms war dafür verantwortlich, dass dieser Musiker den Verstand verlor?«
    »Er hatte schon die Veranlagung dazu. Du weißt, dass Viktor eine Zeitlang mit Freud gearbeitet hat. Er interessierte sich stark für Psychologie. Er war der Ansicht, dass Rott ein empfindsamer Charakter mit überbordender nervöser Energie war, die in klare Bahnen gelenkt werden müsste.«
    »Das hört sich eher nach meinem Gatten an«, warf Berthe scherzend ein.
    »Und auch nach meinem. Aber dieser junge Mann tanzte wirklich auf einem sehr dünnen Seil mit seinen Gefühlen. Als Brahms dann seine Chancen auf ein staatliches Stipendium zerstörte, schnappte Rott einfach über. Während einer Zugfahrt zu einer freien Stelle im Elsass zog er einen Revolver und zielte damit auf einen Mitreisenden, der sich gerade eine Zigarre anzünden wollte. Er behauptete, Brahms hätte im ganzen Zug Dynamit untergebracht und es dürfe deshalb kein Streichholz angezündet werden. Sie haben Rott entwaffnet und ins psychiatrische Krankenhaus gebracht. Und bei all dem ging es allein um die Politik und gar nicht um die Musik Rotts.«
    Berthe hatte ein Gefühl, als hätten Emma und sie selbst die vergangenen Jahre auf verschiedenen Planeten verbracht. Von all diesen Dingen hatte sie nichts gewusst.
    »Ich fürchte, du musst mir das genauer erklären.«
    »Ich spreche vom Kampf zwischen Wagner und Brahms. Als junger Musiker zähltest du entweder zu den Anhängern des einen oder des anderen, und wehe dir, wenn du unter die Gegenpartei fielst. Am Konservatorium war Rott, wie Mahler und Wolf, ein großer Liebhaber Wagners und ein Anhänger Bruckners. Brahms dagegen hielt überhaupt nichts von Bruckner, er war sicher, dass dessen Musik nach wenigen Jahren in Vergessenheit geraten würde … Aber wenn dein Ehemann fürMahler arbeitet, so sollte er diesen selbst fragen. Oder, besser noch, Natalie Bauer-Lechner. Ich bin sicher, dass sie ihm, und ausschließlich ihm, noch immer zu Diensten ist.«
    »Das ist sie«, antwortete Berthe. »Mir war nicht klar, dass du sie auch kennst.«
    »Sie kannten sich doch alle vom Konservatorium«, sagte Emma. »Und dann

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