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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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wenn Mahlers Nachfolger dessen neue Anweisungen widerrufen würde«, wandte Gross ein.
    Drechsler ignorierte diesen Versuch einer logischen Argumentation. »Meindl will den Fall abschließen«, wiederholte derInspektor. »Von Seiten des Hofes wird seit dem letzten Vorfall mächtig Druck auf ihn ausgeübt. Wir hatten immerhin vier Männer in der Villa postiert und konnten Mahler dennoch nicht schützen.«
    Darauf erwiderten weder Gross noch Werthen etwas.
    Drechsler schlug mir der Faust auf den Schreibtisch.
    »Also gut! Ich glaube ja selbst auch nicht an seine Schuld. Dieser Mann scheint mir ein ausgemachter Idiot zu sein, zu dumm, um sich auch nur das Arsen beschaffen zu können. Ganz abgesehen davon, dass er ja auch noch einige Stücke Lokum hätte präparieren und dann von Mahler unbemerkt in die Schachtel legen müssen. Außerdem gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass Schreier tatsächlich die Villa überhaupt betreten hat. Er sagte aus, es hätte in der Villa Kerry praktisch von unseren Leuten nur so gewimmelt, als er ankam. Deswegen hätte er Angst gehabt hineinzugehen, hätte andererseits aber auch das Treffen mit Mahler nicht verpassen wollen.«
    »Was werden Sie jetzt tun, Drechsler?«
    Der Inspektor schüttelte den Kopf. »Ich weiß es wirklich nicht. Es wäre ziemlich einfach, diesem Schreier so viel Angst einzujagen, dass er am Ende gesteht, glaube ich. Für mich würde dabei ein Wochenende mit der Familie in den Bergen herausspringen. Ich könnte eine Mütze voll Schlaf gebrauchen, das können Sie mir glauben. Ich sage Ihnen, ich kann einfach kein Auge zumachen, wenn meine Familie nicht in der Nähe ist.«
    Werthen konnte dies gut nachempfinden, denn der Aufenthalt in Altaussee ohne Berthe hatte auch ihm schlaflose Nächte bereitet.
    »Was hat Schreier mit dem Brief gemacht?«, fragte Gross.
    »Verbrannt, wie von Mahler gefordert. Das behauptet er jedenfalls.Und dann hat er auch noch die Asche in der Toilette hinuntergespült, genau nach der Anweisung im Brief.«
    »Lassen Sie uns einmal annehmen, er hat die Wahrheit über diesen Brief gesagt«, sagte Gross. »Eine einfache Aufforderung, den Brief zu beseitigen, hätte genügt, so denke ich, damit er nicht in die Hände von Journalisten gelangen kann. Zumindest, wenn Mahler diesen Brief wirklich selbst geschrieben hat. Falls aber eine andere Person der Briefschreiber war und sich lediglich als Mahler ausgegeben hat, ergibt es schon mehr Sinn, ganz sicherzugehen, dass der Brief niemals untersucht werden kann. Selbst verbranntes Papier kann noch auf die Handschrift untersucht werden.«
    »Nehmen wir demgegenüber einmal an, dass Schreier den Brief selbst geschrieben hat«, antwortete Drechsler. »In diesem Fall würde das vollständige und unwiderrufliche Verschwinden des Briefes sicherstellen, dass Schreiers Geschichte nicht widerlegt werden kann.«
    »Es gab noch andere Besucher«, mischte sich Werthen ein. »Andere Personen, die ebenfalls ein Motiv hatten und von der Vorliebe Mahlers für diese türkische Süßigkeit wussten.«
    Drechsler warf einen Blick in die Papiere auf dem Schreibtisch. »Richtig. Leitner und die Sopranistin. Sie scheinen sich aber beide mit Mahler ausgesöhnt zu haben. Warum hätten sie ihn dann vergiften sollen?« Er sah nochmals in seine Papiere. »Und dann ist da noch Ihr Mitarbeiter«, sagte er und nickte Werthen zu.
    »Ja, Herr Tor. Er musste eine Änderung in Mahlers Testament vornehmen.«
    »Und was war das für eine Änderung?«, erkundigte sich der Inspektor.
    »Ich bin nicht sicher, ob ich berechtigt bin, Ihnen das mitzuteilen. Mahler ist schließlich mein Klient.«
    »Herr Advokat, ich muss Sie wohl nicht daran erinnern, dass wir hier in einem Mordfall ermitteln.«
    »Aber wir ermitteln nicht in der Mordsache Mahler«, hielt Werthen dagegen. »Noch nicht. Wegen der Morde an Fräulein Kaspar und Herrn Gunther schon, aber haben wir die Verbindung zwischen diesen Mordfällen und den Angriffen auf Mahlers Leben schon ohne Zweifel belegt?«
    »Ich frage mich, mein lieber Werthen«, unterbrach ihn Gross, »ob Sie hier nicht ein wenig zu sehr nach den Vorschriften argumentieren. Wir stehen doch alle auf derselben Seite, oder?«
    »Es geht hier nicht um die Frage, auf welcher Seite wir stehen, Gross. Es ist eine Frage des Prinzips. Wenn sich ein Mann nicht mehr sicher sein kann, dass sein Anwalt seine Angelegenheiten vertraulich behandelt, wo soll das hinführen?«
    »Die Zivilisation wird daran schon nicht zugrunde gehen!«,

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