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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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dafür, dassauch Mahler nur ein Mensch ist, denke ich. Dass er eine Naschkatze ist und sich diese Süßigkeiten direkt aus Istanbul schicken lässt.«
    »Diese Schachtel ja wohl ganz offensichtlich nicht«, sagte Gross. »Es sei denn, natürlich, die Türken wollten sich jetzt für die verlorene Belagerung vor vierhundert Jahren rächen.«
    »Es muss jemand in der Villa Kerry einzelne vergiftete Stücke in diese Schachtel aus Istanbul gelegt haben«, überlegte Werthen laut.
    »Ja, das ist die wahrscheinlichste Schlussfolgerung. Alles andere würde auf eine erneute islamische Invasion in Europa hindeuten.«
    Werthen bemühte sich, es als ein positives Zeichen zu nehmen, dass Gross in so humoriger Laune war, aber im Grunde ärgerten ihn diese Bemerkungen eher.
    »Es ist ein nervöser Tick«, gab Gross zu, als hätte er die Gedanken seines Freundes gelesen. »Adele schärft mir immer wieder ein, dass ich mich zurückhalten soll. Ich habe dies immer für die verdammt vornehme Art und Weise einer Frau gehalten, ihrem Mann zu sagen, er möge gefälligst den Mund halten.«
    »Ihre Frau ist wirklich sehr taktvoll«, erwiderte Werthen, als sie den Schottenring erreichten. Sie waren auf dem Weg zum Präsidium, und als sie dort ankamen, war Drechsler tatsächlich noch immer im Dienst. Der Kommissar wirkte erschöpft. Er stand an einem kleinen geöffneten Fenster und sog tief die milde Abendluft ein.
    »Setzten Sie sich, meine Herren.« Viel Auswahl hatte er nicht zu bieten. Da nur zwei alte Holzstühle vor Drechslers Schreibtisch standen, nahmen Werthen und Gross darauf Platz.
    »Eigentlich sollte ich seit Anfang dieser Woche in Urlaub sein«, meinte der Kommissar und ließ sich in seinen gepolsterten Lederstuhl fallen. Dieser Stuhl war das einzige Zeichen einer Schwäche in diesem winzigen, spartanisch eingerichteten Büro. Werthen entdeckte die Photographie einer dünnen Frau und etlicher Jungen in kurzen Hosen. Drechslers Familie? Das war wohl anzunehmen, auch wenn Drechsler nicht gerade den Eindruck eines Familienmenschen machte.
    »Stattdessen ist meine Familie ohne mich in Semmering. Sie hatten gehofft, dass ich wenigstens an diesem Wochenende zu ihnen kommen könnte, aber durch die Vergiftungsgeschichte von Mahler ist selbst das jetzt unmöglich geworden. Meindl will, dass die Sache schon übers Wochenende untersucht wird.«
    »Mit anderen Worten, Sie sollen ein Geständnis aus Herrn Schreier herausquetschen?«
    »Zur Hölle mit Ihnen, Gross. Woher wissen Sie von der Festnahme? Ach, natürlich, Sie sind ins Hospital gegangen. Dort haben Sie die Schwester gesehen …«
    »Die Information kam von Frau Bauer-Lechner«, warf Werthen ein.
    Drechsler nickte. »Wir haben den Kerl auf frischer Tat ertappt. Hat sich wie ein Dieb auf dem Grundstück herumgetrieben. Und er hatte auch ein Motiv, denn Mahlers Anweisungen, die Anwesenheit von Claqueuren zu verbieten, haben ihn praktisch arbeitslos gemacht.«
    »Und was sagt Schreier zu den Vorwürfen?«, erkundigte sich Gross.
    »Na, was denken Sie wohl? Er behauptet natürlich, dass er unschuldig ist. Mahler hätte ihm einen Brief geschrieben, indem er ihn in die Villa einlud, um die Angelegenheit ins Reine zu bringen.«
    »Und der Brief?«, fragte Gross.
    »Na ja, zu den besten Lügnern gehört unser Freund Schreier nicht. Er behauptet, dass Mahler ihn in dem Brief aufgefordert hätte, diesen zu vernichten, damit er keinesfalls einem Journalisten in die Hände fiele und die Welt so von ihrem geheimen Treffen Wind bekommen könnte. Schreier zufolge wollte Mahler Ihre Fehde beenden, ohne dass die Öffentlichkeit erfahren würde, dass er vor den Sängern eingeknickt sei.«
    »So ganz unwahrscheinliche ist die Bitte nicht«, meinte Gross.
    »Sie glauben diesem Mann doch nicht etwa? Dieser Kerl ist ein Prolet.«
    »Ich weiß, ich habe mit ihm gesprochen. Aber das macht ihn noch nicht zu einem Mörder«, entgegnete Gross. »Und außerdem hat er hieb- und stichfeste Alibis für die früheren Anschläge auf Mahlers Leben.«
    »Es könnte sich um zwei Täter handeln«, erwiderte Drechsler prompt. »Mahler ist schließlich nicht gerade jedermanns Freund. Vielleicht hat Schreier ja Wind von den bisherigen Ermittlungen bekommen. Und vielleicht glaubte er, er könnte diesen Anschlag demjenigen unterschieben, der zuvor schon versucht hatte, Mahler umzubringen. Eine perfekte Gelegenheit für den Mord. Das wäre ja nichts Neues. Außerdem würde er vom Tode Mahlers profitieren.«
    »Aber nur dann,

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