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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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verhindern.«
    Das ist zwar eine Möglichkeit, dachte Werthen, aber eine völlig unwahrscheinliche. Während seines Aufenthaltes in der Villa Kerry hatte er Arnold Rosé kurz kennengelernt und den Mann viel zu sympathisch gefunden, als dass er ihn solch einer Tat verdächtigen würde. Rosé schien ihm ein guter und loyaler Freund von beiden, Mahler und Justine, zu sein. Werthen konnte sich einfach nicht vorstellen, dass dieser Musiker Mahlers Lokum mit Arsen vergiftet haben könnte.
    »Wenn Sie nichts dagegen haben, Drechsler«, sagte Werthen, »könnten wir vielleicht zuerst Gespräche mit diesen Personen führen. Die Leute kennen mich und werden nicht so übermäßig auf der Hut sein, wie sie es vielleicht bei einer Befragung durch die Polizei wären.«
    Andererseits konnte Justine ein solches Vier-Augen-Gespräch durchaus missfallen, denn, wie Natalie erzählt hatte, machte sie ihm den Vorwurf, er habe Mahler »im Stich gelassen«. Allerdings erzählte er Drechsler nichts von dieser Überlegung.
    Der Kommissar dachte einen Moment nach. »Das hört sich vernünftig an. Aber ich will eine vollständige Niederschrift des Gesprächsverlaufs.«
    Werthen stimmte bereitwillig zu und fragte dann, als wäre ihm dieser Einfall gerade erst gekommen: »Gibt es eine Möglichkeit, die Herkunft des Arsens festzustellen?«
    »Das untersuchen wir gerade«, sagte Drechsler. »Allerdings gibt es da große Schwierigkeiten, und ich bin mir sicher, dass Sie das genau wissen.«
    Er nickte dabei Gross zu, und der Kriminologe stimmte zu. Gross hatte ausführliche Artikel über dieses Thema geschrieben. Er erklärte Werthen in Kürze, dass Arsen recht einfach zu beschaffen war, und zwar auf ganz unterschiedliche Weise. So wurde es von Ärzten verschrieben, um allerlei Leiden zu behandeln; die lange Liste reichte vom Ekzem über den Rheumatismus bis hin zur Syphilis. In der Industrie behandelte man Felle mit Arsen, bearbeitete aber auch Gold damit. Es wurde sogar in Teer gemischt, um Risse in Dächern, Böden und Wänden zu verschließen und diese so gegen Ratten und Termiten zu schützen. Die genaue Herkunft des Arsens nachzuweisen, würde also sehr schwer werden, vor allem da bei dieser Giftattacke nur eine kleine Menge verwendet worden war.
    »Das hört sich nicht sehr vielversprechend an«, meinte Werthen.
    »Nein«, sagte Drechsler mit dumpfer Stimme, »das tut es nicht. Und jetzt, meine Herren, nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber ich habe heute Abend noch einen Berg von Arbeit zu erledigen.«
    »Ich möchte gern mit ihm sprechen«, sagte Gross.
    »Mit wem? Schreier?«
    Gross nickte.
    »Was wollen Sie herausfinden? Ich habe ihn selbst schon eingehend befragt.«
    »Ich habe da so eine Theorie.«
    »Und möchten Sie diese wunderbare Theorie vielleicht mit uns teilen?«, sagte der Inspektor.
    »Das werde ich, aber erst hinterher.«
    »Na gut. Ich werde im Landl anrufen und Ihren Besuch ankündigen.«
    Sie waren eben im Begriff zu gehen, als sich Drechsler an Werthen wandte.
    »Wenn ich richtig gehört habe, hatten Sie einen Eindringling in Ihrem Büro, Herr Advokat.«
    »Wie haben Sie davon erfahren?«
    »Ich glaube, sie heißt Frau Ignatz. Sie hat den Vorfall auf der Wache in der Josefstadt gemeldet. Es gibt keine Geheimnisse in Wien, solange es Concierges gibt. Hatten Sie vor, mir noch davon zu erzählen?«
    Werthen spürte, dass er errötete. »Es ist ja nichts passiert.«
    »Für mich hört es sich aber nach einer Aufgabe für die Polizei an. Die Dame hat ausgesagt, dass Ihnen Blut den Nacken hinuntergelaufen ist. Ein tätlicher Angriff also.«
    Darauf wusste Werthen nichts zu sagen.
    »In Zukunft informieren Sie die Polizei über solche Vorkommnisse, nehme ich doch an?«, sagte Drechsler.
    »Es war mehr ein Unfall«, brachte Werthen hervor, aber Drechsler war offensichtlich nicht davon überzeugt. Er schnalzte bei diesem schwachen Erklärungsversuch nur mit der Zunge.
    »Wir arbeiten zwar gelegentlich gemeinsam an einem Fall, Herr Advokat, aber Sie sollten immer berücksichtigen, dass esDinge gibt, für die ein privater Ermittler einfach nicht die richtige Ausbildung besitzt.«
     
    Das Gefängnis des Landgerichts oder das Landl, wie der Volksmund es nannte, lag nicht weit vom Polizeipräsidium entfernt in südlicher Richtung jenseits des Rings hinter dem Rathaus. Da es ein schöner Abend war, gingen sie zu Fuß. Die Bauarbeiten im Park rund um das neogotische Rathaus waren noch nicht abgeschlossen; die Platanen wurden noch von

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