Wikinger der Liebe
Machenschaften führen würden. Gesattelte Pferde standen bereit, und Hawks persönliche Wache, Englands meist gefürchtete Truppe, war bereits aufgestiegen. Noch früher, als er es dem König versprochen hatte, ritt er an der Spitze seines Heers durch das Tor der Residenz zu der langen Straße, die in nördlicher Richtung aus der Stadt führte. Nur ein einziges Mal drehte er sich um und schaute zu den Fenstern seiner Braut hinauf.
»Wann ist er weggeritten?« Verwirrt starrte Krysta die Königin an. Ohne ihr Bescheid zu geben, war er Udell gefolgt? Nein, unmöglich.
»Am späten Vormittag«, wiederholte Eahlswith mitfühlend. »Gewiss, das überrascht Euch, aber so sind die Männer nun einmal. Ich kann gar nicht zählen, wie oft Alfred in den Krieg zog, ohne sich von mir zu verabschieden.«
Wahrscheinlich schlafe und träume ich noch, dachte Krysta. Was immer der König befohlen hatte, Hawk würde sie nicht wortlos verlassen. Er hätte ihr das Ziel seiner Reise mitgeteilt und versichert, ihm würde keine Gefahr drohen, ihre Furcht weggeküsst und...
O Gott, kein Wunder, dass er heimlich davongeschlichen war! Welcher Mann würde sich mit der Sorge einer Frau belasten, wenn eine schwierige Pflicht seine ganze Aufmerksamkeit erforderte?
Trotzdem erschrak sie über seine plötzliche Abwesenheit, und sie war ein bisschen beleidigt. Doch das Gefühl der Kränkung verflog schon nach wenigen Minuten, nur die Angst blieb zurück.
Eahlswith tat ihr Bestes, um sie von ihrem Kummer abzulenken. Bei jedem Herzschlag dachte Krysta an Hawk. Hundert Mal sagte sie sich, er sei der meist gefürchtete Krieger von England, der Kommandant einer erprobten Truppe. Zahllose Schlachten hatten seine Kampfkraft geschult, seine Sinne geschärft. Verglichen mit dem Lord of Essex war Udell ein armseliger Wurm. Aber auch einem Wurm konnte das Glück lachen. Manchmal führte nicht die Überlegenheit eines Mannes zum Sieg, sondern ein Zufall.
Als sie ihre Verzweiflung nicht länger verbergen konnte, entschuldigte sie sich bei der Königin und floh in die kleine Kirche nahe dem Skriptorium. Auf den Knien flehte sie den Allmächtigen an, Hawk zu schützen und seine Feinde zu vernichten. In ihr inbrünstiges Gebet versunken, beachtete sie die jungen Priester nicht, die lautlos umhergingen, hohe Kerzen anzündeten und Hymnen sangen.
Schließlich drangen die Lieder des Komplet, das die katholischen kirchlichen Tageszeiten beendete, in Krystas Bewusstsein, und sie erkannte, wie lange sie mittlerweile schon auf dem Steinboden kniete. Während des Mittagsoffiziums war sie hierher gekommen. Da hatte die Sonne noch hoch am Himmel gestanden. Von Krysta unbemerkt war die Abendandacht verstrichen.
Langsam stand sie auf. Ihre Beine trugen sie kaum, ihr ganzer Körper hatte sich versteift und schmerzte. Aber sie glaubte, den Trost göttlicher Gnade zu spüren. Tiefe Dankbarkeit erfüllte ihr Herz.
Draußen wehte ihr kühler Nachtwind entgegen, und sie hielt inne, um die Sterne zu betrachten. Würde auch Hawk in diesem Moment zu ihnen emporschauen? Wie wundervoll wäre es, wenn sie eins der funkelnden Lichter am samtschwarzen Himmel berühren und den geliebten Mann auf diese Weise liebkosen könnte...
Würde sie in dieser Nacht Schlaf finden, von Hawk getrennt?
Plötzlich glitt ein Schatten hinter der Kirche hervor. Um zu überlegen, wer das sein mochte, blieben ihr nur ein paar Sekunden. Dann verschloss eine grobe Hand ihren Mund, ein Arm umschlang ihre Taille und hob sie hoch.
»Biest!«, zischte ihr die schemenhafte Gestalt ins Ohr. »Dachtet Ihr wirklich, Ihr dürftet mich herausfordern, ohne dafür zu büßen?«
Von kaltem Grauen erfasst, versuchte sie nach dem Angreifer zu treten und grub ihre Zähne in seine Hand. Da schleuderte er sie so kraftvoll zu Boden, dass ihr alle Luft aus den Lungen gepresst wurde. Er drehte ihr die Arme auf den Rücken, band die Handgelenke zusammen. Als sie aufspringen wollte, warf er sie erneut in den Staub und fesselte ihre Fußknöchel.
»Schnell!«, befahl Udell heiser. Harte Hände packten Krysta und schleiften sie in die Finsternis.
17
Hawk schwenkte seinen Grauschimmel in einem kleinen Kreis herum und studierte die Hufabdrücke auf der schmalen schlammigen Straße, die abgebrochenen Zweige. Nur wenige Stunden zuvor waren hier mehrere Pferde dahingaloppiert. Nicht weit entfernt, nahe der Stelle, wo sich die Straße gabelte, hatte ein Krieger ein Bündel gefunden, das offensichtlich von einem Sattel
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