Wikinger der Liebe
er sich wirklich frei. Diese Flucht vor der Mühsal des Alltags erlaubte er sich nur selten, deshalb erschien sie ihm umso kostbarer.
Bis in den Nachmittag hinein kreuzte er vor den Buchten von Hawkforte. Die Fischer in ihren wendigen kleinen Kähnen aus gegerbten Tierhäuten winkten ihm zu. Ebenso wie der Kapitän eines Handelsschiffs, das sich dem Hafen näherte. Sobald er das Habichtswappen am Segel des Kutters entdeckte, ließ er sein Banner einholen, um Seine Lordschaft zu begrüßen. Eine Herde fröhlicher Seehunde tollte vorbei. Kurz nachdem sie aus Hawks Blickfeld verschwunden waren, entdeckte er etwas anderes in den Wellen - eine dunkle, schlanke Gestalt, die den Kopf zu heben und ihn zu mustern schien. Sogar mehrere Schemen - aber vielleicht waren es nur Schatten, denn sie verflüchtigten sich blitzschnell.
Über seinem Boot kreisten Möwen und beobachteten glänzende Heringe, die wie Silberpfeile unter der Wasseroberfläche umherwirbelten. Auch die Seelöwen und die Fischer folgten ihnen. Schimmernde Netze wurden ausgeworfen und mit reicher Beute wieder in die Fischerboote gezogen.
Während die Sonne nach Westen wanderte, segelte Hawk zur Küste zurück. Diesen freien Tag hatte er sich gestohlen, und er empfand keine Reue, denn die Mußestunden hatten eine bedeutsame Veränderung in ihm bewirkt. Jetzt fühlte er sich besser für die Auseinandersetzung mit seiner tückischen Braut gewappnet als an diesem Morgen. Er freute sich sogar darauf, und die heitere Stimmung hielt an, bis er den Hafen etwas deutlicher sah.
Daria erwartete ihn auf dem Kai. Beim Anblick ihrer hageren Gestalt musste er an ein Unheil verkündendes Gespenst denken. Beinahe hätte er sein Boot wieder aufs Meer hinausgesteuert. Nur seine eiserne Disziplin befähigte ihn, seinen Kutter zu vertäuen und die steinerne Treppe hinaufzusteigen.
Kaum hatte er die oberste Stufe erreicht, als Daria auch schon tief Atem holte. Wie einen Giftpfeil schleuderte sie ihm ihre Klage entgegen. »Weißt du’s schon? Natürlich, du musst es wissen! Wie kann sie es wagen? Welches Spiel treibt dieses alberne Mädchen? Wenn ich mir vorstelle, was für eine schreckliche
Beleidigung sie dir zugefügt hat...« Stöhnend presste sie eine Hand auf ihre Brust, als hätte sie eine Hauptrolle in einem schlechten Theaterstück übernommen. »Warum lässt du sie nicht auspeitschen, mitsamt ihrer grauenvollen Dienerschaft? Wie soll sie jemals lernen, die Pflichten der Herrin von Hawkforte zu erfüllen, wenn du diese Respektlosigkeit duldest?«
Schon seit langer Zeit kannte Hawk die Lebenselixiere seiner Halbschwester - bitteren Zorn und Missgunst. Davon ließ er sich nicht beeindrucken. »Beruhige dich, Daria. Vor lauter Zorn überschreitest du deine Grenzen. Was geschehen soll, entscheide einzig und allein ich.«
»Ja, natürlich.« Durch gesenkte Wimpern schaute sie ihn in heuchlerischer Demut an. »Wie dumm von mir... Aber was hat sie sich nur dabei gedacht? Vielleicht ist sie nicht ganz richtig im Kopf. Du musst herausfinden, was sie zu diesem Täuschungsmanöver veranlasst hat...«
Mit schnellen Schritten ging er den Kai entlang. Um an seiner Seite zu bleiben, musste Daria laufen. »Außer mir braucht sich niemand für ihre Beweggründe zu interessieren. Für dich und alle anderen genügt die Erkenntnis, wer sie ist. An meinem Entschluss, Lady Krysta zu heiraten, wird sich nichts ändern. Erstens wird diese Ehe den Frieden sichern, zweitens bringt sie mir eine beträchtliche Mitgift ein. Damit kann ich die Verteidigungsbastionen von Hawkforte vor dem nächsten Kampf gegen die Dänen verstärken. Das ist am allerwichtigsten. Hast du mich verstanden?«
Sekundenlang flackerte ein seltsames Licht in ihren Augen, erlosch aber so schnell, dass er glaubte, er hätte sich geirrt. »Gewiss, das verstehe ich«, antwortete sie. »Du hast nie einen Hehl daraus gemacht, was du wichtig findest und was nicht. Nur aus Sorge um dich möchte ich die Schwierigkeiten erwähnen, die vielleicht auf dich zukommen. Nach dieser verrückten Maskerade werden die Leute deiner Braut voller Argwohn begegnen. Darauf solltest du dich vorbereiten.«
Obwohl er versucht war, die Warnung zu missachten, musste er seiner Schwester Recht geben. Zumindest würden seine Untertanen überrascht und verwirrt sein. Da sie ihm treu ergeben waren, könnten sie Krysta wegen ihrer Hinterlist sogar verdammen. Bei diesem Gedanken runzelte er die Stirn. Wenn sie auch eine Strafe verdiente - die Bewohner von
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