Wikinger der Liebe
würden dich auf der Reise gefangen nehmen. Nach der Ankunft auf Hawkforte bewog dich mädchenhafte Scheu, deine Identität zu verheimlichen.«
Eine perfekte Begründung, der niemand widersprechen würde und die kein schlechtes Licht auf Krysta warf. Während sie überlegte, warum er ihr eine so leichte Lösung des Problems anbot, war sie fast versucht, nach dem rettenden Strohhalm zu greifen. Nur ihre Wahrheitsliebe hinderte sie daran. »Das klingt plausibel. Aber es stimmt nicht. Ich schlüpfte in die Rolle einer Magd, weil ich dachte, vor unserer Hochzeit sollte ich möglichst viel über Euch erfahren, die Dienstboten würden mir einiges erzählen, und dann könnte ich Euch eine bessere Gemahlin sein.«
Bevor er die gewohnte unergründliche Miene aufsetzte, bemerkte sie seine Verwunderung. »Gegen diese selbstlosen Absichten ist nichts einzuwenden«, erwiderte er ironisch. »Also hast du dich zu meinem Wohl maskiert?«
Wie dringend sie seiner Liebe bedurfte, mochte sie nicht gestehen. Verzweifelt suchte sie nach Worten. »Uns beiden käme eine erfolgreiche Ehe zugute - und unseren Völkern ebenso.«
Nun waren sie beim Thema Pflicht angelangt. Hawk trat näher zu ihr und freute sich, weil sie nicht zurückwich. Langsam hob er eine Hand und berührte ihr glänzendes Haar. Solche dichten Locken hatte er noch nie gesehen - so reizvoll zerzaust, als wäre der Wind darüber hinweggetanzt. Unter seinen Fingern fühlten sie sich wie Seide an. Unwillkürlich lächelte er, weil sie versucht hatte, ihre Haarpracht mit einem Band zu zügeln. Inzwischen war es verrutscht, in den Löckchen verfangen. Er atmete den Duft ihrer Haut ein und erinnerte sich an Rosen, die nur am Meer wuchsen und die frische Salzluft mit ihrem Aroma bereicherten. In ihrem schlanken Hals pochte der Puls. Eine Zeit lang starrte er darauf, dann seufzte er und rückte ihr Haarband zurecht.
»Wohin ist Euer Zorn entschwunden?«, flüsterte sie.
Danach fragte er sich auch, gab es aber nicht zu. »Der muss warten, bis ich entschieden habe, ob ich ihn brauche.«
Tiefe Gefühle, dachte sie wieder und nickte. Die schwache Hoffnung, am Morgen geschöpft und im Lauf des Tages fast begraben, kehrte zurück und schimmerte in ihrem Herzen wie eine winzige Perle.
»Komm«, befahl er und streckte eine Hand aus.
Am Strand war sie vor seiner Berührung zurückgeschreckt, als hätte sie sich verbrannt. Jetzt legte sie ihre Hand ohne Zögern in seine .
5
Mit einem Schreckensschrei fuhr Krysta aus dem Schlaf empor und bekämpfte das bleischwere Gewicht auf ihrer Brust. Verzweifelt schlug sie um sich und trat nach dem Ungeheuer, das sie zu erdrücken drohte.
»Hatschiiii!«
Aus der Matratze, auf die ihre Fäuste trommelten, hatten sich Federn gelöst, kitzelten ihre Nase, und sie musste niesen. Das verscheuchte die Nebel aus ihrem Gehirn. Als sie wieder halbwegs klar denken konnte, fiel ihr ein, wo sie war. Verärgert über ihre Dummheit, richtete sie sich auf und schob die dicke Pelzdecke beiseite. Nur gut, dass niemand ihr albernes Verhalten beobachtet hatte.
Sie saß in einem komfortablen breiten Bett. Wie man ihr erklärt hatte, wurde es von König Alfred benutzt, wenn er Hawkforte besuchte. Nun bewohnte Krysta das Gemach in einem der niedrigeren Türme, das stets für den Herrscher bereitgehalten wurde. Immer noch leicht benommen, schaute sie sich um. Am vergangenen Abend hatten nur die Fackeln in den Händen der Dienstboten, denen sie hierher gefolgt war, und kupferne Kohlenbecken den Raum erhellt. Wie eine Schar gespenstischer Tänzer war der Widerschein der Flammen über die Wände gehuscht.
Jetzt betrachtete Krysta die verschwenderische Einrichtung im gleißenden Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinströmte. Nun bewunderte sie die reich geschnitzten Möbel, die kostbaren Wandbehänge, die dicken Teppiche. Auf dem Bett mit den üppig bestickten Vorhängen häuften sich die Pelze, die ihr in einem Albtraum den Atem genommen hatten.
Noch nie in ihrem Leben hatte sie ein so luxuriöses Schlafzimmer gesehen - und sie war noch nie so allein gewesen. Raven oder Thorgold hatten sich stets in ihrer Nähe aufgehalten. Und nun wusste sie nicht einmal, wo sich die beiden befanden. Seit sie am letzten Abend in die Halle gegangen war, hatte sie ihre Freunde nicht mehr gesehen. Sie hatten kein einziges Wort wechseln können. Seufzend streifte sie das Nachthemd nach oben, das über ihre Schulter hinabgerutscht war. Sie erinnerte sich an den Augenblick, als
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