Wikinger der Liebe
goldgelbe Felder, gepflegte Obst- und Weingärten und Wälder. Ihren Augen, an raue nordische Landschaften gewöhnt, erschien diese Fülle wie ein Märchen.
»Hier sah es nicht immer so aus«, bemerkte Edvard. »Früher lagen die Felder brach, zertrampelt und leblos. Die Stadt bestand nur mehr aus verkohlten Ruinen. Und die Menschen, die in unserer Festung Zuflucht gesucht hatten, klammerten sich an die schwache Hoffnung, die Dänen könnten vertrieben werden.«
»Bevor König Alfred die Feinde besiegt hat?«
»Ja, bevor Männer wie Lord Hawk mit ihm ritten und an seiner Seite in zahllosen Schlachten kämpften. Tagelang kamen sie nicht aus den Sätteln heraus, fanden keinen Schlaf und mussten hungern, bis sie glaubten, auf dieser Welt würde es nichts mehr geben außer Blut und Tod.« Eine Brise wisperte während eines kurzen Schweigens und erstarb, als Edvard hinzufügte: »Davon spricht Lord Hawk niemals. Andere prahlen mit ihren Heldentaten, er erwähnt seine Erfolge mit keinem Wort. Obwohl er noch ein halbes Kind war, kämpfte er mit der Kraft eines Mannes und sah Dinge, die ein so junger Mensch nicht sehen dürfte. Alfred nannte ihn den größten Krieger unseres Zeitalters und bot ihm den höchsten erdenklichen Lohn an. Wisst Ihr, was sich Lord Hawk wünschte?«
»Nein.«
»Er wollte heimkehren, dieses Land heilen, in der Hoffnung, darin würde auch er gesunden.«
»Habt Ihr mit ihm gekämpft?«, fragte Krysta zutiefst bewegt.
»Das war unmöglich, denn ich war damals noch ein Baby, und meine Eltern versteckten sich mit mir im Wald. Damit ich die schweren Zeiten überlebte und die Milch meiner Mutter nicht versiegte, kochte sie täglich einen Sud aus Wurzeln und Rinde, der sie mehr schlecht als recht ernährte. Seiner Lordschaft verdanken wir den Frieden in unserem Land. Aber er gönnt sich keine Ruhe. Nur der Ruhm seiner gewaltigen Kampfkraft hält die Dänen fern. Das weiß er. Und deshalb spornt er sich selbst und seine Männer unentwegt an, auf dem Turnierplatz, auf der Jagd, überall, wo dänische Spione umherschleichen.«
»Spione?«
»Glaubt Ihr, die Dänen würden sich so leicht geschlagen geben und den Verlust dieser Gebiete widerstandslos hinnehmen? Wie festgebundene Stiere scharren sie auf dem Boden und warten auf das erste Zeichen unserer Schwäche, um uns wieder anzugreifen.«
»Daran habe ich nicht gedacht«, gab Krysta zerknirscht zu. Nicht nur ihre Augen sahen, wie prächtig dieses Land blühte und gedieh. Das erkannten auch andere, und sie würden begierig danach trachten.
»Dann denkt jetzt darüber nach, Mylady«, empfahl ihr der Verwalter. »Nur der Ruf des gefürchteten Lord Hawk schützt uns. Jede noch so kleine Schwäche könnte eine Katastrophe aus- lösen.«
Den Kopf stolz erhoben, wandte sie sich zu ihm. »Ich entdecke keine Schwäche an Lord Hawk.«
»Und Ihr würdet auch keine heraufbeschwören.« In seiner Stimme schwang ein bedeutsamer Unterton mit.
»Natürlich will ich ihm eine gute, treue Ehefrau sein«, erwiderte sie sanft, denn sie spürte, dass seine Kühnheit nur der Loyalität gegenüber seinem Herrn entsprang.
Da nahm die strenge Miene des jungen Mannes etwas weichere Züge an. »Hoffen wir auf Euren Erfolg, Mylady. Hier leben weder Männer noch Frauen oder Kinder, die ihm nicht das Beste wünschen.«
Was die Leute von ihr erwarteten, belastete Krystas Seele. Sie atmete erleichtert auf, als der Rundgang wenig später beendet wurde. Bis zum Abendessen wollte sie die erholsame Einsamkeit in ihrem Zimmer genießen und überdenken, was sie gesehen und erfahren hatte. Aber in der Haupthalle lauerte ihr Daria auf.
Plötzlich tauchte sie aus den Schatten auf und erschreckte Krysta, die einen leisen Schrei ausstieß. »Oh - Daria, ich habe Euch nicht gesehen.«
Auf den schmalen Wangen der älteren Frau zeigten sich zwei rote Flecken und hoben den unheimlichen Glanz in ihren Augen hervor. »Zweifellos seid Ihr mit frivolen Gedanken beschäftigt und nehmt Eure Umgebung gar nicht wahr«, fauchte sie und verzog spöttisch die Lippen. »Was für eine Närrin Ihr seid! Wenn Ihr vernünftig wärt, würdet Ihr sofort abreisen.«
Hätte jemand anderer diese unhöflichen Worte ausgesprochen, wäre Krysta überrascht gewesen. Aus Darias Mund wirkten sie so natürlich wie der Rauch eines Holzfeuers. »Das finde ich nicht.«
»Offenbar versteht Ihr die Situation nicht. Ihr habt Hawk erzürnt. Vor lauter Wut traut er seiner Selbstbeherrschung nicht, sobald er in Eure Nähe
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