Wikinger der Liebe
Trotz ihrer Macht dachten sie an den wilden Kampfgeist der Riesen und fragten sich, ob sie ohne Mauer vor diesen gefährlichen Feinden sicher wären. Als sie darüber sprachen, erschien ein Fremder in Asgard, er erbot sich, eine starke Mauer rings um den Wohnsitz zu errichten, und erklärte, innerhalb eines Jahres würde er den Bau vollenden. Die Götter wollten zustimmen. Aber Odin, der Weiseste von allen, fragte nach dem Preis.
Kühn trat ihm der Fremde gegenüber und antwortete: »Wenn ich die Mauer gebaut habe, gebt mir Frigg, die schönste Göttin. Außerdem verlange ich die Sonne und den Mond.«
Odin geriet in hellen Zorn. Niemals würde er dem Fremden eine Göttin überlassen, seine eigene Gemahlin. Gewiss, er stritt sehr oft mit Frigg. Aber sie gehörte ihm, und er wollte sie behalten. So beschloss er, den Fremden fortzuschicken. Doch da meldete sich der listenreiche Gott Loki zu Wort und schlug vor, der Fremde solle den Wall errichten, allerdings in einem halben Jahr. Sicher würde ihm das misslingen, und die Götter würden wenigstens eine halbe Mauer umsonst erhalten.
Nur widerstrebend ging Odin darauf ein, obwohl Frigg goldene Tränen vergoss.
Fast ein halbes Jahr verstrich. Zum Entsetzen der Götter war die Mauer beinahe fertig gestellt. Bald würde der Fremde nicht nur Frigg, sondern auch die Sonne und den Mond für sich beanspruchen.
Glücklicherweise wusste Loki Rat. »Der Fremde braucht sein starkes schwarzes Pferd, das die Steine zum Wall schleppt. Wenn ich diesen Rappen weglocke, bleibt die Mauer unvollendet.« Und so verwandelte sich Loki in eine schöne weiße Stute. Wie erwartet, folgte ihr der schwarze Hengst in den Wald. Als der Fremde bemerkte, dass sein Pferd verschwunden war und der Mauerbau nicht fortgesetzt werden konnte, legte er vor lauter Wut seine Verkleidung ab und gab sich als Riese und Erzfeind der Götter zu erkennen. Odin rief Thor zu sich, den stärksten aller Götter, der mit seinem Hammer auf den Kopf des Riesen schlug und einen gewaltigen Donner am Himmel dröhnen ließ. Da floh der verwundete Riese aus Asgard, die Götter bauten die restliche Mauer selbst, und letzten Endes verzieh Frigg ihrem Gemahl, der sie fast verkauft hätte. Nach einer Weile kehrte Loki zurück
begleitet von einem wundervollen Rappen mit acht Beinen, den er Sleipnir nannte und Odin schenkte. So erhielten die Götter ihren Schutzwall und Odin seinen kraftvollen Hengst.
»Mal sehen...«, begann Hawk, nachdem der Beifall der Zuhörer verklungen war. »Als weiße Stute getarnt, lockte Loki einen schwarzen Hengst in den Wald und kehrte etwas später mit einem achtbeinigen Rappen zurück. Wurde er jemals gefragt, wie Sleipnir entstanden war?«
»Wohl kaum«, entgegnete Dragon grinsend, »jedenfalls sprach er nie darüber. Wie wir alle wissen, wird so mancher Betrüger mit seinen eigenen Waffen geschlagen.« Viel sagend schaute er Krysta an. »Wenn er Glück hat, kommt er ungeschoren davon.«
Trotz seines freundlichen Blicks verstand sie die Anspielung. Sie hatte Hawk hintergangen und musste sich glücklich schätzen, weil sie einer Strafe entronnen war. Nur eine Närrin würde das Schicksal - und den Herrn von Hawkforte - erneut herausfordern. »Loki scheint seine Lektion nie zu lernen«, meinte sie leise, zu Hawk gewandt. »Da sind die Menschen etwas klüger.«
Was sie ihm damit zu verstehen gab, gefiel ihm, und das wollte er ihr sagen. Aber Edvard ließ ihn nicht zu Wort kommen. Vom Lächeln der hübschen Aelfgyth ermutigt, hatte der junge Verwalter etwas zu viel getrunken und vergaß seine übliche Zurückhaltung. »Und wie soll man Odin beurteilen?«, rief er. »Die Bereitschaft, seine Frau gegen eine Mauer einzutauschen - selbst wenn er hoffen durfte, die würde nicht fristgemäß fertig gestellt. Das war ziemlich leichtfertig.«
»Gewiss«, stimmte Dragon zu. »Aber Odin weiß einfach nicht, wie er mit Frigg umgehen muss. Dauernd ärgert er sie, stachelt sie an, und sie begehrt gegen ihn auf.«
»Bliebe er öfter am heimischen Herd«, bemerkte Krysta, »von seinem eigenen Bett ganz zu schweigen, müsste er nicht überlegen, wie er mit Frigg umgehen soll. Und sie würde ihm nicht trotzen...« Schon in der nächsten Sekunde hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen. Wie man ihre Worte auffassen würde, wusste sie nur zu gut. Hawk mochte es widerstrebend hinnehmen, wenn sie ihm unter vier Augen erklärte, der Weg zum Frieden würde nicht durch die Betten anderer Frauen führen. In
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