Wikinger der Liebe
dagegen hat...«
»Überhaupt nichts.« Grinsend sprang Dragon auf und schlang einen Arm um die Taille des rothaarigen Mädchens. »Ich werde schon eine Beschäftigung finden. Nicht wahr, meine Süße?«, fragte er die Dienerin, die sich hingerissen an ihn schmiegte.
»Oh, gewiss, Mylord«, gurrte sie.
»Seht ihr? Macht nur, was ihr wollt, ihr beiden. In den nächsten Stunden werde ich euch wohl kaum vermissen. Oder in den nächsten Tagen. Nehmt bloß keine Rücksicht auf mich!«
Erst jetzt erkannte Krysta, dass sie die Situation missverstanden hatte. »Lord Dragon, Ihr seid sehr großzügig.«
»Keineswegs, mein liebes Mädchen, nur vernünftig. Da seid Ihr, und Hawk kommt auch ohne mich sehr gut zurecht, der Hochsommer hat begonnen, und ich sehe keinen Grund, diese schöne Jahreszeit nicht zu genießen.«
Nun betrachtete sie den Mann, den alle Frauen entzückt anzustarren pflegten, etwas genauer. Sehr attraktiv, dachte sie, aber mit Hawk kann er sich nicht messen. Zu ihrer Verblüffung wirkte er nett und freundlich, trotz seines Furcht erregenden Rufs. Und was den Sommer anging, hatte er völlig Recht. Diese kostbaren warmen Stunden musste man nutzen und sich an dem hellen Sonnenschein freuen oder sehnsüchtig unter dem milden Sternenhimmel seufzen.
Lächelnd wandte sie sich zu ihrem Bräutigam und schaute in seine blauen Augen, die seine Verwunderung nicht verhehlten. »Ich kenne ein Plätzchen, wo die wilden Erdbeeren schon reif sind.«
Natürlich folgte er ihr aus der Halle. Welcher Mann könnte ihr widerstehen? Hinter ihnen lachte Dragon froh und erleichtert. Vielleicht auch ein bisschen neidisch. Aber daran durfte er nicht denken. Außerdem hatte das rothaarige Mädchen einiges zu bieten.
Dragon blieb eine Woche auf Hawkforte. Tagsüber ging er mit Hawk zur Jagd, segelte mit ihm aufs Meer hinaus oder beteiligte sich an den Waffenübungen. Inzwischen hatte die Ernte begonnen. Fast alle Bewohner von Hawkforte außer den Rittern arbeiteten auf den Feldern. Der Festungsherr hatte bekannt gegeben, er würde Lady Krysta erst nach der Ernte heiraten. Diese Entscheidung nahmen die Leute bereitwillig hin, da sie auf einer alten Tradition beruhte.
Jeden Abend versammelten sie sich in der Halle, um Dragons wunderbaren, unglaublichen Geschichten zu lauschen, die alle gefangen nahmen. Sogar die sächsischen Barden lehnten sich genüsslich zurück und hörten dem Mann zu, in dem sie einen wahren Meister erkannten. Wenn ihn das Schicksal auch zum Krieger bestimmt hatte, war er doch ein geborener Skalde.
Er berichtete von der Entstehung Asgards, wo die Götter hausten. Durch die Brücke Bifröst, die den Menschen als Regenbogen erschien, war dieser Wohnsitz mit der Erde verbunden. »Nachdem die Götter ihre Feinde, die Riesen, besiegt hatten«, erklärte Dragon seinem faszinierten Publikum, »beschlossen der große Gott Odin und seine Gefährten Hoenir und Lodur, aus Baumstämmen sterbliche Wesen zu erschaffen. Den ersten Mann nannten sie Ask, dem sie Kraft und Macht verliehen, und seine Gemahlin Elm, die ihm getreulich zur Seite stehen sollte. Im Mittelpunkt der Welt ragt die Esche Yggdrasil empor. Bis in die Tiefe der Erde reichen ihre Wurzeln hinab, ihre Zweige erheben sich zum Himmel. Von ihren Blättern ernährt sich Odins Lieblingshengst Sleipnir. Der Ort, den Yggdrasil überschattet, ist heilig. Dort versammeln sich die Götter jeden Tag, um Entscheidungen zu treffen. Im fernen Donnergrollen, das manchmal am Himmel dröhnt, kann man ihre Stimmen hören.«
All diese Geschichten kannte Krysta, obwohl sie im christlichen Glauben aufgewachsen war. Trotzdem gefiel es ihr, die vertrauten Legenden aus Dragons Mund zu hören, denn er schilderte jene Ereignisse so fesselnd und lebhaft, wie sie es nie zuvor vernommen hatte. Zu anschaulich für den Geschmack Vater Elberts und Darias, die unentwegt die Stirn runzelten, die Köpfe zusammensteckten und sich über das heidnische Geschwätz beschwerten. Doch Dragons Wikinger beachteten sie ebenso wenig wie die Sachsen, die an die schlechte Laune der beiden gewöhnt waren.
Das Wetter blieb warm und mild. Meistens aßen sie draußen im Hof, an langen Tischen, von Fackeln beleuchtet, die lästige Insekten fern hielten. Die Nächte waren sternenklar. Am letzten Abend seines Aufenthalts erzählte Dragon vom Vollmond angeregt die folgende Geschichte:
Nachdem die Götter eine Zeit lang in Asgard gelebt hatten, stellten sie fest, dass kein Schutzwall ihr Heim umgab.
Weitere Kostenlose Bücher