Wikinger der Liebe

hervor, in einem schlichten braunen Kleid. Normalerweise bevorzugte sie am Abend eine elegante Garderobe. Ihr Haar hatte sie zu zwei dicken Zöpfen geflochten.
    Als Hawk die Angst in ihren Augen bemerkte, unterdrückte er einen Fluch, aber er verbarg seine Sorge. »Hör mal, Schätzchen, für deine Verwandtschaft kannst du nichts«, sagte er leichthin. »Ich muss mich ja auch mit Daria herumschlagen. Und ich bin der Letzte, der einen Stein auf jemanden werfen würde, nur weil er mit unangenehmen Leuten verwandt ist.«
    »Daran liegt es nicht«, erwiderte sie leise, ohne nähere Erklärungen abzugeben.
    Hawk erhob sich vom Bett, ging zu ihr, und sie wollte sich abwenden. Aber er umfasste ihre Schultern und hielt sie fest. »Um Himmels willen, woran denn sonst? Soll er vor unserer Hochzeit abreisen? Gut, bei der nächsten Ebbe wird er verschwinden. Glaub mir, er ist unwichtig. Ich verstehe nicht, was dich bedrückt.«
    »Hast du ihm nicht zugehört? Er kennt mich. Und du hast keine Ahnung, wer und was ich bin.«
    »Das hat er lauthals bekannt gegeben. Ein Biest. Aber es bedeutet nichts. Es sei denn, du willst mir mitteilen, dass du nicht Lady Krysta von Vestfold bist...« Plötzlich schöpfte er einen erschreckenden Verdacht. »Großer Gott, bist du in Wirklichkeit ihre Magd?« Seine Gedanken überschlugen sich. Wie sollte er die Probleme lösen, die sich unweigerlich einstellen würden, wenn er darauf bestand, eine Dienerin zu heiraten? Glücklicherweise war diese Frage überflüssig.
    »Nein, natürlich nicht, ich bin Lady Krysta. Trotzdem sollten wir herausfinden, was Sven hierher geführt hat. Er legt großen Wert auf seine Bequemlichkeit. Nur wenn’s unbedingt nötig ist, verlässt er sein Schloss. Und nun hat er diese weite Reise unternommen. Warum?«
    »Wenn er halbwegs bei Verstand wäre, würde ich sagen, um uns zu beglückwünschen.«
    »Ganz sicher nicht. Nach dem Tod unseres Vaters kam er in mein Haus.« Bei dieser Erinnerung erschauerte sie. »Wie er mir unmissverständlich erklärte, ärgerte er sich maßlos über Vaters zweite Ehe und ließ mich seine Verachtung deutlich spüren. Wer weiß, was mir widerfahren wäre, hätte mich der Jarl von Scirin gesheal nicht zu deiner Braut bestimmt. Nicht einmal Sven wäre dumm genug, um sich gegen Wolf Hakonson zu stellen. Aber ich fürchte, nun hat er irgendwas vor. Obwohl er kein Ausbund an Klugheit ist, kann er beträchtlichen Schaden anrichten.«
    »Da irrst du dich. Er wird dir nichts zu Leide tun.«
    In ihren Augen glänzten Tränen, und Hawk musste erneut einen Fluch unterdrücken. Behutsam entwirrte er ihre Zöpfe und strich durch die goldene Lockenfülle. Dann reichte er ihr das kostbarste, mit Juwelen verzierte Haarband. »Das sollst du heute Abend tragen, um mich zu erfreuen.«
    Was er beabsichtigte, verstand Krysta. Entschlossen eilte sie wieder hinter den Wandschirm und vertauschte das schmucklose braune Kleid mit jenem schönen Gespinst aus Sonnenlicht und Meeresschaum, das sie am Abend ihrer Entlarvung angezogen hatte. Das Gewand ihrer Mutter würde ihr Kraft geben. Und als sie sich ihrem Bräutigam zeigte, machte ihr auch die Bewunderung in seinem Blick ein wenig Mut.
    Hocherhobenen Hauptes stieg sie an seiner Seite die Stufen zur Halle hinab, wo sich die Leute bereits versammelt hatten, und verbarg ihre Sorge. Das Stimmengewirr verstummte, erwartungsvolles Schweigen breitete sich aus.
    Kurz nachdem Hawk und Krysta ihre Plätze an der herrschaftlichen Tafel eingenommen hatten, erschien Sven von Daria begleitet, die ungewöhnlich zufrieden wirkte. Vater Elbert folgte den beiden und bemühte sich vergebens, seine übliche geheuchelte Frömmigkeit auszustrahlen, die den Anschein erwecken sollte, er wäre der Welt entrückt. Heute glühten hektische rote Flecken auf seinen Wangen.
    Entgegen allen Regeln der Gastfreundschaft stand Hawk nicht auf, um den Besucher zu begrüßen. Nicht einmal Edvard rührte sich von der Stelle. Unter anderen Umständen hätte er dem Herrn von Vestfold einen Stuhl an der großen Tafel angeboten oder das Personal angewiesen, ihn zu bedienen. Stattdessen blieb er hinter Hawks Thron stehen, die Arme grimmig vor der Brust verschränkt.
    »Habt Ihr Euch inzwischen erholt?«, fragte Hawk kühl.
    Sein Tonfall ließ Sven erstarren. Ein paar Schritte von der Haupttafel entfernt, hielt er inne, setzte eine ausdrucksvolle Leidensmiene auf und erwiderte mit hoher, schriller Stimme: »Einigermaßen, nach allem, was ich durchgemacht