Wikinger der Liebe
exquisiten Stickerei, an der sie arbeitete. Nur ihr spöttisches Lächeln deutete an, was sie dachte.
»Gewiss, Mylady, das Buch ist ein Wund er werk«, antwortete Krysta, ohne Esa zu beachten. »In prächtiger Schrift werden die Gesetze aufgelistet, die König Alfred erließ, um in seinem Reich Recht und Ordnung zu wahren. Der Band ist in drei Abschnitte unterteilt. Darin sind die Gesetze für die betenden, die arbeitenden und die kämpfenden Männer enthalten. Mühelos kann man die Handschrift lesen. Nie zuvor sah ich ein Buch mit so schönen, künstlerisch gestalteten Anfangsbuchstaben in jedem Kapitel und so zahlreichen anschaulichen Illustrationen.«
»Das freut mich zu hören«, erwiderte Eahlswith. »Denn ich schwöre, meinem Gatten bedeuten seine Bücher fast genauso viel wie seine Kinder, und das will etwas heißen.«
Freundlich lächelten die Damen, alle außer Esa, die gelangweilt ihre Augen verdrehte. Entweder entging es der Königin, oder sie ignorierte das taktlose Verhalten der Lady. Krysta vermutete Letzteres, weil sie Eahlswiths Klugheit bereits erkannt hatte.
»Und wie gefällt Euch das Skriptorium?«, erkundigte sich die Königin.
»So einen herrlichen Raum sah ich nie zuvor. Ich durfte lange genug darin verweilen, um in einigen Büchern zu blättern. Und der König war so freundlich und versprach, er würde mir eins leihen.«
»Dass Ihr lesen könnt, finde ich einfach großartig, Lady Krysta. Hin und wieder beschloss ich, diese Fähigkeit zu erlernen. Aber dafür lassen mir die Kinder keine Zeit.«
Krysta nickte. Natürlich fiel es sogar einer Königin sehr schwer, ihren »weiblichen Aufgaben« auch nur kurzfristig zu entrinnen. »Zu meinem Glück lernte ich schon in der Kindheit lesen.«
»Zu Eurem Glück?« Esas Stimme klang sanft, aber durchdringend. Nun spitzten auch die Damen, die etwas weiter entfernt saßen, ihre Ohren. Auf einen Eklat hatten sie begierig gewartet. Die Lady lächelte gewinnend. »Am Rand von Nirgendwo aufzuwachsen, ohne Eltern, das würde ich nicht als Glück bezeichnen. Nach allem, w as ich erfahren habe, ist Vest fold ein einsamer, trostloser, unzivilisierter Ort. Kein Wunder, dass Ihr so eifrig bestrebt wart, hierher zu reisen, und Euch sogar als Dienerin getarnt habt, um Euer Ziel möglichst schnell und ungefährdet zu erreichen.« Die Nase hoch erhoben, musterte sie Krysta und fragte honigsüß: »Oder war das nicht der Grund für Eure ungeheuerliche Maskerade?«
Ehe die Königin eingreifen konnte, entgegnete Krysta: »Keineswegs. Und Vestfold ist gewiss nicht so schrecklich, wie Ihr glaubt, sondern wunderschön. Als ich meine Heimat verließ, war ich todunglücklich.«
»Ah, ich verstehe...« Esas Miene bewies das Gegenteil. »Also habt Ihr nur zum Spaß eine Dienerin gespielt? Weil Ihr Lord Hawk zum Narren halten wolltet?«
Die anderen Ladys kicherten. So gut wurden sie nur selten unterhalten. Dieses Vergnügen genossen sie in vollen Zügen. Eahlswith versuchte sich, wieder einzumischen. Aber Krysta kam ihr zuvor, denn sie wollte keinesfalls den Eindruck erwecken, sie könnte nicht für sich selber einstehen. »Meine Beweggründe sind einzig und allein meine Sache, Lady. Und ich werde sie Euch nicht verraten.«
Schmollend verzog Esa die schönen Lippen. »Für solche Dummheiten interessiere ich mich auch gar nicht.«
Neues Gekicher erklang, bis die Königin mahnend eine Hand hob. »Bitte, verzeiht uns, Lady Krysta. Solche Klatschgeschichten verbreiten sich so schnell wie der Wind und sind genauso unnütz wie der Staub, den er aufwirbelt.« Ein strenger Blick schien Esa zu durchbohren. »Bedauerlicherweise haben manche Leute kein Fünkchen Verstand. Sonst würden sie diesen Unfug gar nicht beachten.«
»O Mylady!« Zerknirscht senkte Esa den Kopf. »Wenn ich Euer Missfallen erregt habe, tut es mir aus tiefster Seele Leid. Es ist nur - so wie wir alle weiß ich Lord Hawk und seine Verdienste sehr zu schätzen. Und der Gedanke, jemand könnte ihn beleidigt haben, weckt meinen Zorn, wenn das kein zu unweibliches Gefühl ist.«
Als Krysta diese Emotion empfand, hegte sie keine Bedenken. Es juckte sie in den Fingern, einen der Krüge zu ergreifen, die auf einem nahen Tisch standen, und kaltes Wasser in Lady Esas höhnisches Gesicht zu schütten.
Bedächtig legte Eahlswith die Tunika beiseite, die sie für ihren Gemahl bestickte. »Lady Krysta ist mit Lord Hawk verlobt«, erklärte sie leise, aber in entschiedenem Ton, »und diese Ehe ist ein bedeutender
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