Wikinger meiner Träume
einander fraßen.«
»Was? Im Nebel?«
»Genau weiß ich nicht, wo... Jedenfalls sah ich sie, bevor ich in Ohnmacht fiel.«
»Das hast du dir eingebildet.«
Rycca wollte den Kopf schütteln. Doch sie besann sich anders. Ihr Stolz verbot ihr den Versuch, Dragon von irgendetwas zu überzeugen. Außerdem wäre es ohnehin sinnlos gewesen. Sie spürte bereits, wie sie sich in ihr Inneres zurückzog. So wie in der Kindheit war dies auch jetzt ihr einziger Fluchtweg.
Den großen Hengst störte der Nebel nicht im Mindesten. Unbeirrt trabte er in die Richtung von Landsende, und Rycca nahm an, seine Witterung würde ihn leiten. Jeder Ort verströmte einen einzigartigen Geruch. In Wolscroft stank es nach feuchten Steinmauern und Angst. Landsende roch nach dem Meer, reifem Getreide und dem milden Rauch der Herdfeuer, nach Pferden und Leder, Schweiß und Dampf - nach all den üppigen vielfältigen Aromen eines Zuhauses.
Zuhause? Ihre Kehle verengte sich wieder, und sie schluckte. Energisch verdrängte sie den Gedanken.
Aber er kehrte zurück, als die Festungswälle im Nebel auftauchten. »Was hast du vor, Dragon?«, fragte sie und wartete vergeblich auf eine Antwort.
Inzwischen hatten sie den Hof erreicht. Vor dem Stall stieg er ab. Ihre Blicke trafen sich. Wie müde er aussah - nicht körperlich, sondern seelisch... Heißes Mitleid erfasste ihr Herz, und sie sank in seine ausgestreckten Arme. Ohne sie loszulassen, stellte er sie auf die Füße. Seine Wärme und seine Kraft spendeten ihr keinen Trost.
»Von diesem Schicksalsschlag wurden meine Leute schmerzlich getroffen«, betonte er.
Kein Wunder... Von der Ernte erschöpft, würden sie erneut hart arbeiten müssen, um die Scheune wiederaufzubauen. Sonst wäre ein Teil ihrer Mühe umsonst gewesen. Wenn das Futter nicht sachgerecht gelagert wurde, konnte man die Tiere im Winter nicht ernähren. Einige würde man notgedrungen töten. Dann wären die Herden im nächsten Frühling beträchtlich dezimiert. Der Verlust eines einzigen Schuppens würde sich womöglich jahrelang auswirken.
Trotzdem wollte sie seine Wortwahl nicht hinnehmen. »Uns hat das Feuer schmerzlich getroffen.«
Schweigend ergriff er ihre Hand und führte sie zur Halle.
Zur Hölle mir ihr! Warum gab sie keine einleuchtende Erklärung für den Zwischenfall ab - irgendetwas, das er nutzen könnte, um ihr zu ersparen, was er ansonsten tun musste? Brachte sie kein Verständnis für seine Position auf? Als Jarl von Landsende trug er die Verantwortung für die Sicherheit seines Volks in einer unsicheren Welt. Über seinen persönlichen Gefühlen durfte er seine Pflichten nicht vergessen.
Dragon holte tief Atem und zwang sich zur inneren Ruhe. Seit Rycca verschwunden war, wuchs seine Sorge. Immer wieder hatte er über die Ereignisse nachgedacht - die zerstörten Webstühle und Stoffe, das verdorbene Salz, die Kletten unter Granis Satteldecke, die Gewürze. Und er hatte sich gesagt, daran könne sie unmöglich schuld sein, schon gar nicht an Granis Qualen, denn sie liebte Pferde.
Ihn liebte sie nicht. Bei Thors Hammerschlägen, warum ging ihm ausgerechnet jetzt dieser Gedanke durch den Sinn? Wen interessierte es schon, ob sie ihn liebte oder nicht? Ihn selbst ganz sicher nicht. Niemals hatte er erwartet, die große Liebe zu erleben. Für Wolf und Hawk war das gut und schön. Er freute sich für die beiden. Nur wenigen Menschen war ein solches Glück beschieden, und er gehörte gewiss nicht dazu. Zum Teufel mit den beharrlichen Wünschen, die Rycca in ihm weckte, mit der wehmütigen Sehnsucht nach inniger Verbundenheit, die seine Einsamkeit besiegen und seinem Dasein einen Sinn verleihen würde... Nein, daran wollte er nicht denken. Es genügte, dass sie seine Frau war, und was das bedeutete, musste sie respektieren.
Dazu war sie nicht bereit. Denn sie hatte ihn nur geheiratet, weil ihr andernfalls nichts anderes übrig geblieben wäre, als zu ihrem Vater zurückzukehren. Und in Wolscroft hätte ihr die Todesstrafe gedroht.
Aber seit der Hochzeit - Erinnerungen stürmten auf Dragon ein. Rycca auf der Fahrt nach Landsende, an Bord seines Schiffs, wo sie sich so geduldig bemüht hatte, seine Muttersprache zu erlernen. Rycca in seinen Armen, süß und leidenschaftlich. Oder auf dem Kai, in Granis Sattel, ihr Stolz, ihr freudiges Staunen über jenen Gefallen, den er ihr erwiesen hatte. Ihr eifriges Bemühen um die Pflichten der Festungsherrin. Einen Haushalt zu führen fiel ihr schwer. Das war wohl kaum ein
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