Wikinger meiner Träume
Gesicht und weckte sie. Einige Minuten lang schwankte sie auf der Schwelle des Bewusstseins, bis die Erinnerung abrupt zurückkehrte. Sie lag auf nasser Erde, die sie an ihrer Wange gespürt hatte. Ringsum wallten Nebelschwaden. Wo sie sich befand und wie lange sie ohnmächtig gewesen war, wusste sie nicht.
Oder wer sie überfallen hatte.
Vorsichtig setzte sie sich auf und betastete ihren Körper.
Von ein paar Schürfwunden und blauen Flecken abgesehen, war sie anscheinend unverletzt.
Schlangen. In ihrer Fantasie tauchten plötzlich die ineinander geschlungenen Reptilien auf, die sie gesehen hatte, kurz bevor ihre Sinne geschwunden waren. Was mochte das bedeuten?
Um darüber nachzudenken, würde sie später noch genug Zeit finden - falls es das Schicksal gut mit ihr meinte. Jetzt musste sie erst einmal feststellen, ob sie allein war.
Die Augen zusammengekniffen, spähte sie in den Nebel und lauschte angespannt. Nichts regte sich, kein Laut drang heran.
Erleichtert seufzte sie und zwang sich zur Ruhe. Trotz des Spätsommers war die Luft kühl. Schaudernd verschränkte sie die Arme vor der Brust und versuchte, die Tageszeit festzustellen. Das gelang ihr nicht, weil der Nebel die Sonne verbarg.
Aber wie viele Stunden seit dem Angriff im Stall auch verstrichen sein mochten - der Tag neigte sich sicher dem Ende zu. Bald würde sie in der nächtlichen Kälte erbärmlich frieren, und deshalb musste sie möglichst schnell die Festung erreichen.
Wie sollte sie in diesem dichten Nebel den Weg finden ? Ein falscher Schritt, und sie würde sich in noch größere Gefahr bringen. Andererseits war es unerträglich, nichts zu unternehmen. Hielt sich der Entführer in ihrer Nähe auf? Zögernd rief sie: »Hallo - ist da jemand?«
Ihrer Frage folgte tiefe Stille, so bedrückend wie der Nebel. War sie mutterseelenallein in einer Welt, aus der sich alle sichtbaren und hörbaren Dinge entfernt hatten?
Dieser Gedanke ließ sie noch heftiger frösteln. So oft hatte sie sich in Wolscroft gewünscht, sie wäre allein, und von einem einsamen Leben geträumt... Irgendwo in der freien Natur würde sie einem Falken gleichen, niemals von Menschenhand gezähmt. Außer ihrem Zwillingsbruder Thurlow hätte sie niemanden vermisst und sich von vielen Leuten nur zu gern für immer verabschiedet. Das hatte sich inzwischen geändert. Jetzt sehnte sie sich nach Dragon, nach dem Klang seiner Stimme, seiner Berührung, der Wärme seines Lächelns. Für ein paar Sekunden senkte sie die Lider und sah ihn vor ihrem geistigen Auge. Diese Vision gab ihr neue Kraft, und sie erhob sich. Langsam und vorsichtig würde sie einen Fuß vor den anderen setzen. Hier wollte sie nicht länger ausharren.
Nach einigen Schritten bemerkte sie, wie seltsam steif sich ihre Hände anfühlen. Verwirrt blieb sie stehen und hielt ihre Finger hoch. Durch wirbelnde Nebelschleier sah sie schwarze Streifen auf ihrer hellen Haut, roch daran, und der beißende Geruch von Pech füllte ihren Atem.
Pech? Eigenartig. Wie war es auf ihre Hände geraten? Im Stall wurde kein Pech aufbewahrt. Zumindest erinnerte sie sich nicht daran.
Sie lauschte wieder. Aus der Ferne, vom Nebel gedämpft, drang das Rauschen der Meereswellen zu ihr, die sich an der Küste brachen. Vielleicht erlag sie einer Sinnestäuschung. Aber es gab nichts anderes, woran sie sich orientieren konnte. Und so ging sie weiter, auf der Suche nach dem Heimweg.
17
Im Nebel schien die Zeit viel langsamer zu verstreichen als normalerweise. Alle paar Schritte blieb Rycca stehen und lauschte, versuchte festzustellen, ob sie sich das Rauschen der Brandung nicht eingebildet hatte und immer noch darauf zuging. Feuchte Kälte klebte das Kleid an ihre Haut, und sie zitterte am ganzen Körper. Als sie ihre Schritte beschleunigte, stolperte sie prompt über einen Stein und stürzte.
Stöhnend kam sie wieder auf die Beine und setzte ihren Weg etwas besonnener fort. Ehe sie sich verletzte und hilflos am Boden lag, würde sie lieber frieren. Sie erinnerte sich wieder an jene unheimlichen Schlangen und überlegte, wer sie aus dem Stall entführt haben mochte.
Welcher Mann wäre so leichtsinnig, den Zorn des Jarls zu riskieren? Und warum hatte er sie unversehrt im Nebel liegen lassen?
Vielleicht hatte der Schurke einfach den Mut verloren und die Flucht ergriffen, statt seine gerechte Strafe zu erleiden. Je länger Rycca darüber nachdachte, desto fester glaubte sie an diese Möglichkeit. Sie fühlte sich sogar erleichtert, denn
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