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Wikinger meiner Träume

Wikinger meiner Träume

Titel: Wikinger meiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton
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Blick auswich und Magnus beobachtete. Der getreue Stellvertreter ergriff ihren Arm und führte sie aus der Halle. Trotz der Nebelschleier im Hof fand er mühelos den Weg zum Marterpfahl. Schaudernd blieb Rycca davor stehen. Dieser Anblick weckte grausige Erinnerungen an einen ähnlichen Pfosten in Wolscroft, an die Qualen, die so mancher Verurteilte erlitten hatte, hilflos an das harte Holz gefesselt. In Landsende musste sie schon hundertmal an dem Pfahl vorbeigegangen sein - und sie hatte ihn gar nicht bemerkt, weil ihr hier alles ganz anders erschienen war.
    Welch ein Irrtum... Sie hörte die Stimmen der Leute, die aus der Halle in den Hof eilten. Im Nebel wirkten sie wie dunkle Geister vor dem Hintergrund einer leeren Welt. Ein Strick hing am Pfosten, und Magnus griff danach. »Reicht mir Eure Hände, Mylady.«
    Da ihr nichts anderes übrig blieb, gehorchte sie. Ihr Stolz verbot ihr eine sinnlose Gegenwehr. Fester als nötig schlang Magnus den Strick um ihre Handgelenke. In seinen Augen las sie wilden Triumph. Diesen Ausdruck maskierte er sofort. Doch sie wusste, was sie gesehen hatte, und wich vor ihm zurück. Ihr Rücken drückte sich an den Pfosten. Nun war der Nebel ihr Freund. Mochte sie in seiner feuchten Kälte auch frieren - er schützte sie vor neugierigen Blicken. So viele Leute drängten sich im Hof, um die Demütigung der Angelsächsin zu beobachten. Doch sie ließ sich nicht erniedrigen. Hoch erhobenen Hauptes würde sie erdulden, was ihr zugemutet wurde. Sie hatte ohnehin keine Wahl. Und sie konnte sich nur noch an ihren Stolz klammern.
    Nach einer Weile beschloss sie, sich zu setzen. Das war nicht ehrlos und einem Zusammenbruch vorzuziehen. Seit dem Haferbrei am Morgen hatte sie nichts gegessen. Trotzdem würde sie keinen Bissen hinunterbringen. Sie sank zu Boden. Zitternd zog sie ihren feuchten Rock enger um die Beine.
    Der Jarl - in ihren Gedanken nannte sie ihn nicht mehr Dragon - hatte angekündigt, sie würde an diesem Pfahl ausharren müssen, bis sie bereit sei, ihre Taten aufrichtig zu schildern. Was geschehen war, hatte sie ihm bereits erzählt. Aber er glaubte ihr nicht.
    Wie lange würde sie ihre Gefangenschaft ertragen? Der nächtlichen Kälte ausgeliefert, ohne jene Privatsphäre, die sie für die einfachsten menschlichen Bedürfnisse brauchte, öffentlich gedemütigt... Um sich zu wärmen, presste sie ihre gefesselten Arme an die Brust. Doch sie sehnte sich nach anderen Armen - nach starken Armen, die ihr nur ein flüchtiges Glück geschenkt hatten. In ihren Augen brannten Tränen, die sie ärgerlich wegwischte.
    Etwas später tauchte Magda aus dem Nebel auf und brachte ihr mehrere Decken, eine Schüssel mit einem dampfenden Eintopf und einen Krug Wasser. Fürsorglich hüllte sie Rycca in warme Wolle und drückte ihr einen Löffel in die Hand. »Esst, Mylady. Bald komme ich wieder und binde Euch los, damit Ihr Eure Notdurft verrichten könnt.«
    »Oh - vielen Dank, Magda«, stammelte Rycca verwirrt. »Das dürft Ihr nicht tun. Meinetwegen sollt Ihr nicht in Schwierigkeiten geraten.«
    Langsam richtete sich die ältere Frau auf, die Stirn kummervoll gerunzelt. »Um mich müsst Ihr keine Angst haben, Mylady.« Und dann verschwand sie im grauen Nichts.
    Rycca seufzte. Zumindest eine Freundin hatte sie hier gefunden. Aber diese Erkenntnis lockerte ihren verkrampften Magen nicht, und sie konnte nichts essen - so verlockend der Eintopf auch duftete. Sie stellte die Schüssel beiseite und versank noch tiefer in den Wolldecken. Wenigstens musste sie nicht mehr frieren.
     
    Sie aß nichts. Verdammt, sie brauchte eine nahrhafte Mahlzeit, um ihren Körper zu erwärmen. Wie lange dieses Martyrium dauern würde, war nicht abzusehen...
    Nahe daran, Magda noch einmal in den Hof zu schicken, besann sich Dragon anders. Die Dienerin hatte seine Anweisungen genau befolgt. Wenn seine Taktik ihren Zweck erfüllen sollte, durfte er nicht übermäßig besorgt erscheinen. Er riskierte ohnehin schon zu viel, weil er in Ryccas Nähe blieb. Hinter einer Ecke des Stallgebäudes verborgen, konnte er den Pfahl sehen, und er hoffte, seine Leute würden ihn im dichten Nebel nicht entdecken. Der Anblick seiner gepeinigten Frau brach ihm fast das Herz. Wenn er sich auch immer wieder sagte, das Pech auf ihren Händen würde ihre Schuld eindeutig beweisen, wollte er nicht daran glauben.
    Stöhnend lehnte er sich an die Stallwand. Drinnen schnaubten Grani und Sleipnir, als würden sie die Verzweiflung ihres Herrn spüren.

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