Wikinger meiner Träume
geschenkt. Und in diesem Moment schaute er von seinem hohen Ross auf sie herab und zürnte ihr - weil sie ihn betrogen hatte, mit ihm selbst?
Gab es irgendetwas Komischeres als das Leben?
Fluchend schwang sich Rudyard aus dem Sattel, um seine Tochter niederzuschlagen. Aber Grani sprang ihm in den Weg.
»Nein!«, rief Dragon in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Zunächst wollte der Lord of Wolscroft protestieren, doch er besann sich eines Besseren. Einen Mann wie Dragon Hakonson herauszufordern, wäre ein zu kühnes Wagnis. Außerdem mussten die Ansprüche eines Vaters hinter den Rechten eines Bräutigams zurückstehen.
»Verzeiht mir, Lord Hakonson«, bat er in jener demütigenden Pose, die er stets vor König Alfred einnahm. »Meine Tochter hat uns beide betrogen. Läge die Entscheidung bei mir, würde sie ihr restliches Leben hinter Gittern verbringen. So, wie die Dinge liegen...« Voller Hass und grimmiger Genugtuung starrte er das verzweifelte Mädchen an. »Einem ranghohen Mann wie Euch darf man nicht zumuten, eine Frau zu heiraten, wenn er nicht weiß, wo sie sich die letzten Tage aufgehalten hat oder - noch wichtiger - mit wem sie zusammen war. Falls Ihr meiner Tochter zufällig begegnet seid, könnte sie auch andere Männer getroffen haben. Solltet Ihr trotzdem auf der Hochzeit bestehen, muss sie vorher untersucht werden. Und ich gelobe Euch hoch und heilig - wenn sie keine Jungfrau mehr ist, wird sie sterben.«
Wie giftiger Nebel hing das grausige Versprechen des Vaters in der Luft. Dragons und Ryccas Blicke trafen sich. Unausgesprochen teilten sie die Erkenntnis, dass er soeben die Waffe erhalten hatte, die ihn von einer unerwünschten Ehe befreien würde - von einer Braut, der er nicht trauen konnte. Wenn man bei einer Untersuchung die verlorene Jungfernschaft entdeckte, würde man ihr wohl kaum glauben, sie hätte sich ihrem Bräutigam hingegeben. Wenn er jetzt schwieg, würde sie den Tod finden.
Dragon zauderte nicht. Und er zog den bedeutungsvollen Augenblick auch nicht unnötig in die Länge. In gebieterischem Ton verkündete er: »Niemand wird sie anrühren. Da unsere Hochzeit als Friedenspfand zwischen unseren Völkern gilt, muss sie stattfinden - ohne Rücksicht auf die Gefühle der Braut.« Mit sanfter Stimme fügte er hinzu: »Oder auf meine.«
Ehe irgendjemand antworten konnte, beugte er sich hinab, schlang einen stahlharten Arm um Ryccas Taille und hob sie in den Sattel. Dann pfiff er nach Sleipnir, spornte Grani an und galoppierte zur Festung Hawkforte.
6
Das Geschrei drang in den ummauerten Garten nahe der Haupthalle. Sofort hörte Krysta auf, das Dillbeet zu bepflanzen, hob den kleinen Falcon hoch, der fröhlich krähte, und lief hinein. Von der Arbeit abgelenkt, eilten kopflose Dienstboten umher, was im wohlgeordneten Haushalt der Festung Hawkforte seltsam anmutete.
Verwundert versperrte Krysta einer Dienerin den Weg und erkundigte sich, was geschehen sei.
»O Mylady, soeben ist jemand eingetroffen - ich weiß nicht, wer... Aber es erscheint mir ungewöhnlich...«
Ungewöhnlich? Hawkforte war ein geschäftiger Hafen und die Residenz eines der mächtigsten englischen Lords. Nur der König würde über Hawk stehen, behaupteten manche Leute. Tag für Tag kamen und gingen zahlreiche Besucher - königliche Herolde, Geistliche, Handelsreisende aus fernen Ländern, sogar aus Byzanz. Daran war die Bevölkerung längst gewöhnt, und es erfüllte sie mit Stolz.
Warum regte sich die Dienerschaft plötzlich dermaßen auf?
Ihren kleinen Sohn noch festeren die Brust gepresst, durchquerte Krysta die Halle, trat in den hellen Sonnenschein hinaus und wandte sich an einen bewaffneten Krieger. »Hat jemand nach Seiner Lordschaft geschickt?«
Hawk hielt gerade Waffenübungen auf dem Turnierplatz ab. Regelmäßig und gewissenhaft drillte er sein Heer, das Alfreds Thron und den Frieden sichern half. Erst im Vorjahr hatte es den mercischen Verräter Lord Udell besiegt, der so wild entschlossen gewesen war, den König zu stürzen. Hawk hatte den Missetäter getötet - den Entführer seiner Frau Krysta. Damals waren sie noch nicht verheiratet gewesen. Doch sie hatte, wenn auch unwissentlich, bereits seinen Sohn unter dem Herzen getragen. Alles hatte ein gutes Ende gefunden. Dafür dankte sie dem Himmel jeden Tag.
Eifrig nickte der Soldat - ein hartgesottener, kampferprobter Krieger, aber trotzdem verwirrt, weil Hawks Frau ihn ansprach. Die Wangen leicht gerötet, antwortete er: »Ja,
Weitere Kostenlose Bücher