Wikingerfeuer
Leben zu verlieren.
Sie riss den Sarazenendolch aus der Tasche und drückte die Spitze an seinen Bauch.
»Dich«, erwiderte sie. »Wenn du friedlich mit mir kommst, werde ich dir nichts tun.«
Ich spreche nur für mich. Nicht für meinen Vater , fügte sie in Gedanken hinzu.
»Und warum sollte ich?« Er wirkte ein wenig verblüfft, wie jemand, der langsam aus einem langen, schweren Traum erwachte. »Wer bist du?«
»Eine Hure!«, kreischte die Frau, dass es Rúna in den Ohren schmerzte. »Sie schmückt ihre nackten Füße wie eine Babylonierin!«
Von der Klinge scheinbar unbeeindruckt, blickte er hinunter. Er blinzelte und bückte sich ein wenig. »Sind das Runen auf deinen Ringen?« Er richtete sich wieder auf und verengte die Augen. »Du bist eine Heidin.«
»Ja, eine Heidin und Wikingerkriegerin, und ich hoffe, dass ein Skalde dereinst von meinen Taten singen wird«, sagte Rúna stolz.
Da vernahm sie hinter sich trampelnde Schritte. Fergus. Sie würde sich umdrehen und seiner erwehren müssen, doch dann konnte Oxnac fliehen. Besser, wenn sie sich darauf konzentrierte, dem Mönch die Klinge in den Leib zu stoßen. Dann würde Fergus sie überwältigen können, und sie wäre des Todes, doch die Rache wäre vollendet.
Aber sie merkte, dass sie viel zu sehr am Leben hing. Sie liebte es, sie liebte den Vater, Arien – Rouwen! Sie durfte nicht sterben! Den Bruchteil eines Herzschlags gingen ihr diese Gedanken durch den Kopf, und das Zögern besiegelte ihr Scheitern.
Fergus stieß seine Liebschaft so grob beiseite, dass sie jammernd zu Boden fiel, und warf sich auf Rúna. Mit einem kräftigen Hieb schlug er ihr den Dolch aus der Hand. Ihre Linke grub sich in sein Haar, und ineinander verkeilt rollten sie über den Boden, sodass sie die Treppe hinabzustürzen drohten. Ihr Kopf schlug gegen die Steinwand. Ist es meiner Mutter so ähnlich ergangen? , fragte sie sich noch. Dann fiel sie in tiefe Schwärze.
VI.
GELIEBT
17
I rgendetwas sagte ihm, dass sie in Gefahr war.
Rouwen befingerte die verwitterten Steine eines zerfallenen Brochs und ließ Grashalme durch die Finger gleiten. Vielleicht stammten diese Mauerreste auch aus der Römerzeit; das ließ sich kaum mehr sagen. Er hatte gehofft, sie sei hier in Kontemplation versunken – wenn man das bei einem Heidenmädchen so nennen wollte. Sie hatte einmal erwähnt, dass einer ihrer Lieblingsplätze auf der heimatlichen Insel ein zerfallener Broch war. War sie wirklich jagen gegangen? Weshalb kam sie nicht zurück? Er hatte Arien fragen wollen, doch auch der Junge war verschwunden – Rouwen war sich sicher, dass etwas nicht stimmte.
Seine Befürchtungen bestätigten sich, als er plötzlich Ariens helle, angsterfüllte Stimme hörte. Rouwen sprang über die Mauer und hastete zurück auf die Waldlichtung, wo die Yoturer ihr Lager aufgeschlagen hatten. Alle waren aufgesprungen und umringten den Jungen und Baldvin, der ihn an der Schulter rüttelte.
»Das glaube ich nicht!«, donnerte der Häuptling. Er reckte die Fäuste zum Himmel und mahlte angespannt mit den Kiefern. »Ich glaube es nicht! Rúna! Rúna, mein Wirbelwind! Warum hast du das getan?«
»Was getan?«, fragte Rouwen.
Niemand achtete auf ihn. Baldvin stapfte wild umher, zerrte sein Schwert aus der Lederschlaufe am Gürtel und hieb es schreiend in einen Baumstamm. Rouwen schob sich zwischen Sverri und Gorun hindurch und umfasste Ariens Schultern. Auch er hätte ihn am liebsten durchgeschüttelt, damit der Junge möglichst schnell sprach, aber er zwang sich zur Ruhe.
»Arien Adlerjunge, sag mir, was geschehen ist.«
Tränen rannen über Ariens Gesicht; der Rotz lief ihm aus der Nase. »R-Rúna ha-hat sich als Bäuerin verkleidet und ist in die Burg. Sie–ie wollte den Mönch entführen, so wie den anderen. A-aber dann ist sie gefangen genommen worden.«
»Verdammt, bei allen Heiligen, verdammt!«, fluchte Rouwen und ballte eine Faust. »Sie ist wirklich ein Teufelsweib.«
»Da drin waren so viele gerüstete Männer«, schniefte Arien. »Von draußen haben wir die gar nicht bemerkt.«
»Ich ahnte es! Eine Falle.« Rouwens Blick suchte Angus. »Ihr hattet nie vor, den Mönch auszuliefern.«
Der Edelknecht zuckte nur die Schultern. Ihm schien nichts daran zu liegen, es zuzugeben. Allerdings auch nicht, es abzustreiten.
Rouwen versuchte das Gehörte zu verdauen und bemerkte erst nach einer Weile, dass die Männer miteinander stritten.
»Baldvin«, ereiferte sich Yngvarr. »Wir müssen die Sache
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