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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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aufgenommen!« Meine Bitterkeit lief über, die Worte sprudelten aus mir heraus, bevor ich sie zurückhalten konnte.
    »Welche Ironie des Schicksals«, murmelte er. »Dass die Ärmeren irgendwann genauso frei sind wie die ganz Reichen.«
    »Die Reichen würden nie ein Kind wie mich kriegen«, sagte ich.
    »Oh nein, das stimmt nicht«, widersprach er. »Manche Regs bezahlen für das beste, schönste, vollkommenste Kind. Aber in einem unterscheiden sie sich von den gewöhnlichen Reichen in der Bevölkerung von Neustadt: Die Regs, die ganz oben mitspielen, haben die Wahl. Und daher entscheiden sich manche dafür, lieber ihr eigenes Kind zu bekommen, ganz gleich, was sie für ein Risiko damit eingehen. Hast du nicht die Geschichte von dem herzkranken Jungen im Genesungshaus erzählt?«
    »Marty.«
    »Ja, Marty. Und der Sohn eines Ministers. Wetten, er ist ein ganz normales Kind, das sie während der Schwangerschaft nicht einmal untersucht haben? Für die Frau eines so hochrangigen Reg ein Skandal … und ein Privileg. Diese Leute haben Gefühle, Pia. Sie nehmen keine Glücksgaben. Sie hoffen, sie lieben, sie hassen. Sogar der Glücksminister konnte der Versuchung nicht widerstehen, sein eigenes Kind in die Welt zu setzen. Deine Eltern hatten nicht die Wahl, glaubst du, aber vielleicht doch. Vielleicht haben sie sich dem Druck der Gesellschaft auf Perfektion einfach entzogen, indem sie behauptet haben, sie könnten es sich nicht leisten.«
    »Aber …«
    »Du hast ein Geschenk bekommen«, sagte er. »Du bist ein ganz normales Kind. Das ist selten geworden in Neustadt, wo alles immer nur noch perfekter und schöner werden soll.«
    Während ich noch versuchte, zu erfassen, was das alles bedeutete, sprach Alfred schon weiter. »Man kann Embryonen nicht auf diese Weise verbessern, Pia. Man kann bloß fehlerhafte oder kranke aussortieren. Bei einer Auswahl an befruchteten Eizellen kann man die mit dem gewünschten Geschlecht wieder einsetzen. Oder die ohne die gefürchtete Erbkrankheit. Die Wissenschaft ist nicht so weit, wie man es bei euch an den Schulen behauptet. Es ist zwar prinzipiell möglich, aber dieses Verfahren ist dermaßen langwierig, kompliziert, teuer und fehleranfällig, dass man es wieder eingestellt hat.«
    »Man kann einem Embryo nicht alle gewünschten Eigenschaften verpassen?«, fragte ich verwirrt.
    »Nein«, antwortete Alfred. »Das Erbgut eines Menschen ist viel zu kompliziert, um daran herumzupfuschen. Es wurde versucht und ging meistens schief. Die wenigen Male, wo es klappte, wurden mit unzähligen Fehlschlägen erkauft.«
    »Aber man kann sich doch aussuchen, was für ein Kind es sein soll. Und dann kriegt man es.«
    »Ja«, sagte Alfred. »Aber man bekommt nicht sein Kind. Nicht das eigene. Der Embryo wird weggeworfen. Stattdessen pflanzt der Arzt der Frau einen anderen Embryo ein, der die gewünschten Eigenschaften hat. Pia, in den Laboren von Neustadt sind genug potentielle Kinder eingefroren, um diese Welt mit Menschen zu überschwemmen. Wer fragt schon danach, ob er sein eigenes Kind großzieht? Es ist das, was er gekauft hat.«
    »Aber …«, setzte ich erneut an.
    »Es gab Prototypen«, sagte Alfred. »Schöne Menschen. Kluge Wissenschaftler. Oder auch … Soldaten. Man hat versucht, Menschen in die Richtung zu züchten, die den Regs als der optimale neue Mensch vorschwebte. Die Manipulation am Erbgut … zusammen mit anderen Methoden. Es gab Experimente. Sie haben fürchterliche Dinge getan, die in den Archiven verschwunden sind. Aber der Versuch ging schief. Die schönen Menschen waren nicht liebenswürdig. Die Soldaten nicht gehorsam. Die Wissenschaftler und Mathematiker versanken in Schwermut … Es gab einen Preis zu bezahlen, immer. Sie haben es nicht geschafft, den perfekten Menschen zu züchten, aber sie waren verdammt nah dran. Dann gab es Streit und Krieg, und die perfekten Soldaten vernichteten die halbe Welt. Also wurde das Projekt beendet, und der neue Mensch verschwand in der Versenkung. Aber sie hatten Klone hergestellt, von ihren Prototypen. Unzählige Klone, befruchtete Eizellen, die hinter Eisentüren verschwanden.«
    »Nein«, sagte ich.
    »Doch«, sagte er. »Nach dem Krieg waren die Menschen wachsamer. Bestimmte Menschentypen zu züchten, kostet sehr viel Zeit, da Menschen so lange brauchen, bis sie geschlechtsreif sind. Doch warum weiterzüchten, wenn die Embryonen fertig in den Eisschränken lagern? Man brauchte immer noch Mütter. Wie sollte man die Frauen dazu

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